Madame le Commissaire von Pierre Martin

Was haben Commissario Brunetti, Salvo Montalbano, Pierre Durand und Luc Verlain gemeinsam? Genau, sie sind alle männlich. Daher freute ich mich sehr, endlich mal eine Cosy Crime Reihe entdeckt zu haben, die eine weibliche Ermittlerin in den Vordergrund stellt und in Bezug auf Lokalkolorit, Genuss und Atmosphäre absolut ebenbürtig ist.

Setting

Wir begleiten Isabelle Bonnet, Leiterin eines Sondereinsatzkommandos in Paris, die sich nach einem Bombenangriff in ihre alte Heimat in der Provence zurückzieht und sich dort als Kommissarin betätigt. Fragolin ist genauso, wie ich mir ein kleines Städtchen in Südfrankreich vorstellen würde: mit einem Bouleplatz, alten Steinhäusern und einer familiären Dorfatmosphäre. Am meisten liebe ich aber die Nähe zum Meer. Isabelle hat immer eine Badetasche im Kofferaum und nimmt uns zu den schönsten Badeplätzen mit.

Charaktere

Die Protagonistin ist taff, weiß was sie will und ist für eine Cosy Crime Serie unerwartet unromantisch. Sie hat Affären, durchaus auch mehrere gleichzeitig, spielt aber immer mit offenen Karten. Das erwartet sie allerdings auch von ihren Partnern, was nicht nur einmal zum Problem wird.

Ihre bisherigen Liebhaber sind extravagant:

  • An der Seite des Kunstsammlers Rouven Mardinac taucht sie immer mal wieder in die exklusive Welt der Schönen und Reichen ein.
  • Auch der berühmte Maler Nicolas de Sausquebord versteht sich auf’s Savoir-Vivre. Da er sein Atelier in Fragolin hat, gleicht die Liaison schon eher einer festen Beziehung als einer Affäre.
  • Wirklich liiert war sie bislang jedoch nur mit Bürgermeister Thierry Blès.

Jede gute Serie braucht natürlich einen richtig unsympathischen Antagonisten, dessen Niederlagen man gebührend feiern kann. Bei Madame le Commissaire übernimmt diese Rolle Commandant Richeloin. Er hat keinerlei Verständnis dafür, dass für eine Frau ein Kommissariat in seinem Amtsbereich eingerichtet wird. Noch weniger kommt er damit klar, dass Isabelle Bonnet auch noch erfolgreich ist. Er hat jedoch  nicht mit ihrem Verbündeten aus Paris gerechnet und einem Maurice Balancourt, Chef de police nationale, hat er natürlich nichts entgegenzusetzen. Dessen Figur mag ich sehr gern, so als allwissende graue Eminenz gezeichnet, der wie eine Vaterfigur über Isabelle wacht und sie am liebsten in Paris zu seiner Nachfolgerin machen würde. Auch seine Sekretärin Jaqueline habe ich sofort ins Herz geschlossen.

Warum Isabelle mit der neugierigen und Klatsch und Tratsch anfälligen Ladenbesitzerin Clodine befreundet ist, erschließt sich mir zwar nicht so ganz, sorgt aber für viel Auflockerung.

Am besten gefällt mir Sous-Brigadiere Appolinaire. Der etwas troddelige und zugleich sehr penible Assistent unserer Kommissarin hat zwar einen leicht nervigen, aber auch sehr liebenswerten Charakter. Sein Pflichtbewusstsein ist unübertroffen und seine Fall-Flipcharts sind legendär!

Atmosphäre

Das „Cosy“ kommt also weniger von einer begleitenden Romanze, sondern leitet sich vielmehr aus der Atmosphäre ab, welche die Romane vermitteln und die uns direkt in den Süden Frankreichs versetzt: mit Lavendelfeldern, Sommerhitze, Meeresrauschen, gutem Essen, Kunst, Kultur und vor allem ganz viel Savoir-Vivre. Tatsächlich ha mir Isabelle beigebracht, wie ich selbst mehr von diesem Lebensgefühl in meinen Arbeitsalltag einbauen kann: So liebe ich mittlerer Weile meine langen Mittagspausen, in denen ich in die Stadt radele und in einem netten Restaurant etwas von der Mittagskarte genieße. Dazu ein gutes Buch und man startet ganz anders in den Nachmittag!

Krimi-Reihe

Wie bei fast allen dieser Serien, empfehle ich, sie in der vorgegebenen Reihenfolge zu lesen. Denn auch wenn die Fälle in sich abgeschlossen sind, gibt es Rahmenhandlungen der Figuren, die sich über mehrere Bände erstrecken, so dass ihr euch unnötig selbst spoilern würdet. Außerdem macht es auch hier großen Spaß, die Entwicklung der Charaktere zu verfolgen.

Leider habe ich erst beim achten Buch begonnen, sie zu rezensieren; aber die Tatsache, dass ich Isabelle Bonnet bereits seit neun Bänden folge, sollte verdeutlichen, dass ich die Reihe wirklich mag und empfehlen kann (mit Ausnahme von Nummer 8, die könnt ihr getrost auslassen…).

Alle Bände der Reihe

Bitte beachtet, dass die Kurzrezensionen zu den einzelnen Bänden Spoiler zu den Vorherigen enthalten können. Lest die Bewertungen also nur, wenn ihr auch schon so weit gelesen habt.

Band 1: Madame le Commissaire und der verschwundene Engländer (01.04.2014) von Pierre Martin, 368 Seiten, Knaur TB

Isabelle Bonnet, Leiterin einer geheimen Spezialeinheit in Paris, wäre bei einem Sprengstoffattentat fast ums Leben gekommen. Für ihren Erholungs-Urlaub reist sie in ihren Geburtsort Fragolin in der Provence. Doch mit der Ruhe ist es schnell vorbei, denn erst verschwindet ein reicher Engländer aus seiner Villa und dann wird am Strand von Saint-Tropez eine Frauenleiche gefunden. Isabelle Bonnet lässt sich überreden, den Fall (degradiert zur Kommissarin und ausgestattet mit falschem Lebenslauf) zu übernehmen – was bei den Kollegen vor Ort nicht gerade Begeisterung auslöst, denn in der Provence-Provinz herrschen noch eine ganze Menge Vorurteile. Doch mit dem dümmlich wirkenden Polizei-Archivar wird ihr ein unerwartet findiger Assistent zur Seite gestellt. Was wollte der mysteriöse Engländer in der Provence? Und auch die Rätsel aus Isabelles eigener Vergangenheit, der Unfalltod ihrer Eltern, müssen dringend gelöst werden…

Band 2: Madame le Commissaire und die späte Rache (01.03.2018) von Pierre Martin, 368 Seiten, Knaur TB

Der Duft von Lavendel, die Sonne und liebenswerte Nachbarn – kein Wunder, dass sich Kommissarin Isabelle Bonnet gegen die große Karriere in Paris entschieden hat und lieber im beschaulichen Dörfchen Fragolin geblieben ist. Doch hinter der Idylle lauert auch hier das Verbrechen. Beim Durchforsten alter Akten stößt Isabelles Assistent, der schrullige Apollinaire, auf einen nie aufgeklärten Mord. Sofort erwacht der Jagdeifer der Kommissarin – vor allem als sie bei ihren Untersuchungen über ein anderes Ver­brechen stolpert. Bald entdeckt sie Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Fällen, die alle übersehen haben …

Band 3: Madame le Commissaire und der Tod des Polizeichefs (02.05.2016) von Pierre Martin, 368 Seiten, Knaur TB

Eigentlich will sich Isabelle in der schönen Landschaft an der Côte d’Azur von ihren traumatischen Erlebnissen in Paris erholen, doch ihre außergewöhnliche Expertise ist mal wieder gefragt: bei dem angeblichen Selbstmord eines hohen Polizeibeamten aus der Côte d’Azur-Hafenstadt Toulon kommt sie einigen Ungereimtheiten auf die Spur. Und da sind ja auch noch die ungeklärten Fälle, die sie mit ihrem schrulligen Assistenten Apollinaire lösen muss: Der tödliche Überfall auf ein Juweliergeschäft in Cannes offenbart sich nach einiger Recherche als ein abgekartetes Spiel und so dauert es nicht lange, bis Gangsterbosse und das organisierte Verbrechen an der Côte d’Azur auf der Bildfläche erscheinen…

Band 4: Madame le Commissaire und der verschwundene Bild (02.05.2017) von Pierre Martin, 368 Seiten, Knaur TB

Auch Isabelle Bonnet, die das Kommissariat für besondere Angelegenheiten in dem Örtchen Fragolin in der Provence führt, steht kurz vor dem Urlaub. Doch es kommt anders: Isabelle begleitet Kunstsammler Rouven Mardinac zu einer Abendeinladung, bei der ein neu entdecktes Matisse-Gemälde stolz zur Schau gestellt wird. Das Bild des berühmten Malers ist jedoch offensichtlich eine Fälschung – und nicht nur das. Ein eilig herbei gerufener Sachverständiger macht mit Hilfe raffinierter Technik eine schockierende Entdeckung: Unter der Oberfläche des Bildes verbirgt sich ein verzweifelter Hilferuf!

Während ihrer Ermittlungen stoßen Isabelle Bonnet und ihr liebenswert-verschrobener Assistent Apollinaire auf ein Dickicht von falschen Gutachten, undurchsichtigen Kunsthändlern und eine bisher unentdeckte Entführung. Von Urlaub in der Provence also keine Spur, denn Isabelle bekommt von ihrem Pariser Mentor außerdem noch einen Sonderauftrag: Sie soll den rätselhaften Tod eines Politikers klären, der beim Joggen zusammengebrochen ist.

Band 5: Madame le Commissaire und die tote Nonne (03.04.2018) von Pierre Martin, 368 Seiten, Knaur TB

Vom Rand einer steil abfallenden Klippe, wo man sonst unter hohen Aleppo-Kiefern wunderbar den Sonnenuntergang genießen könnte, bietet sich Isabelle Bonnet ein alles andere als idyllischer Anblick:
Unten am Strand liegt eine Frau, unverkennbar in Ordenstracht gewandet. Schnell bestätigt sich, was zu befürchten war: Die Nonne lebt nicht mehr. Offenbar hatte sie bei der Suche nach seltenen Heilpflanzen den Halt verloren und war zu Tode gestürzt. So jedenfalls die (vorschnelle) Schlussfolgerung der Polizei.
Madame le Commissaire jedoch misstraut der ersten Schlussfolgerung ihrer Kollegen – und behält recht. Sie nimmt ihre Ermittlungen in dem einsam, aber malerisch gelegenen Monastère im Massif des Maures auf und hat bald mehr als einen Verdächtigen. Doch wer würde wirklich so weit gehen, eine Nonne zu ermorden?

Band 6: Madame le Commissaire und der tote Liebhaber (03.06.2019) von Pierre Martin, 368 Seiten, Knaur TB

Untermalt vom Summen der Zikaden und Lavendelduft gleiten die Tage in Fragolin in der Provence friedlich vorüber. Bis das Undenkbare geschieht und das Städtchen jäh aus dem sanften Sommerschlummer reißt: Eines Morgens findet man den Bürgermeister Thierry – tot, mit durchschnittener Kehle. Zwar waren er und Kommissarin Isabelle Bonnet schon länger kein Paar mehr, dennoch trifft sein Tod Isabelle zutiefst. Dabei werden gerade jetzt die Fähigkeiten von Madame le Commissaire gebraucht, denn am Tatort gibt es keine brauchbaren Spuren. Und wer sollte schon einen Grund gehabt haben, den beliebten Bürgermeister zu ermorden? Ihre Nachforschungen führen Isabelle zum Tatort nach Sanary-sur-Mer, jenem Küstenort, in dem in den Dreißiger und Vierziger Jahren viele deutsche Künstler und Intellektuelle Zuflucht gefunden haben.

Band 7: Madame le Commissaire und die Frau ohne Gedächtnis (01.07.2020) von Pierre Martin, 368 Seiten, Knaur TB

Im beschaulichen Fragolin in der Provence kehrt nach dem dramatischen Tod von Bürgermeister Thierry langsam wieder der Alltag ein. Für »Madame le Commissaire« Isabelle Bonnet gibt es nichts zu tun, also dreht sie ihre morgendlichen Joggingrunden durch die Lavendelfelder, fährt zum Baden ans azurblaue Meer oder trifft sich mit Clodine auf einen Café au lait.
Doch dann läuft Isabelles treuem Assistenten Apollinaire eine verwirrte junge Frau vors Auto, die offensichtlich verletzt ist: Die Nordafrikanerin kann sich an nichts erinnern, das vor dem Beinahe-Unfall passiert ist, nicht einmal an ihren Namen. Als alle Versuche scheitern, die Identität der Frau zu ermitteln, trifft Isabelle eine Entscheidung mit dramatischen Folgen …

Band 8: Madame le Commissaire und die panische Diva (01.07.2021) von Pierre Martin, 368 Seiten, Knaur TB

Saint-Tropez hat Brigitte Bardot. Fragolin dagegen den Film- und Gesangsstar Colette Gaspard – auch wenn kaum einer weiß, dass die Diva hier geboren wurde. Schließlich hat sie das provenzalische Dorf schon in jungen Jahren verlassen. Einziger Kontakt zu ihrem Geburtsort ist ihre Zwillingsschwester Juliette, die noch immer in Fragolin lebt. Genauso wie die Kommissarin Isabelle Bonnet, deren Erholungsmodus jäh unterbrochen wird, als Juliette sie im Namen ihrer berühmten Schwester um Hilfe bittet:  Die Diva wird von einem Stalker terrorisiert, der sie mit unheimlichen Anrufen, Drohmails und perversen Botschaften verfolgt.
Die Diva bittet Isabelle, den Stalker zu finden und auf sie aufzupassen. Madame le Commissaire lässt sich überreden – und befindet sich plötzlich mitten in ihrem nächsten Fall, der sie für einige Zeit von der Provence nach Paris führen wird. Obwohl sie dort nie mehr hinwollte …

Ich habe diese Reihe immer gern gelesen, allerdings scheint Pierre Martin nun am Ende seiner Ideen angekommen zu sein. Die Handlung ist langweilig und vorhersehbar: Ich bin noch nie so früh auf den Mörder gekommen.

Außerdem beginnt mich der Sprachstil zu nerven und ich glaube, das liegt an der Erzählperspektive. Sie lässt einfach keine Nähe zu den Charakteren entstehen. Dabei kommt der Roman mit wenigen Figuren aus. Neben den üblichen Charakteren gibt es nur die Zwillingsschwestern, deren Personal und einige Bedienstete in Clubs und dem Theater – darunter natürlich auch der bzw. die Täter:in. Was mich dieses Mal so richtig gestört hat, war Isabelles Verhalten der Diva gegenüber. Deren Annäherungsversuche sind ihr scheinbar zu wider, aber statt klarzustellen, dass sie hetero ist, denkt sie sich immer nur, dass sie das mal klarstellen müsste, was sie ziemlich Arschlochmäßig auftreten lässt. Einzig Apollinaire hat noch immer einen Platz in meinem Leseherzen, seiner drolligen Art kann ich einfach nicht widerstehen.

Ich werde Pierre Martin noch einen Band geben, um zu entscheiden, ob ich die Serie einstelle, aber wenn der mich nicht vom Hocker haut, war es das leider. Dafür warten einfach zu viele Krimis darauf, von mir entdeckt zu werden.

Band 9: Madame le Commissaire und die Villa der Frauen (02.05.2022) von Pierre Martin, 368 Seiten, Knaur TB

So etwas hätte sich Isabelle Bonnet nicht träumen lassen: Eine Villa nur für Frauen – für Frauen, die vor ihren gewalttätigen Männern fliehen mussten. Das ist aus dem Erbe geworden, das ihr Thierry in Fragolin hinterlassen hat. Die Kommissarin ist glücklich, dass sie seine Hinterlassenschaft einem so guten Zweck zuführen konnte. Doch dann entpuppt sich der wahr gewordene Traum als Alptraum, denn aus der „Villa des Friedens“ verschwindet eine der Mütter spurlos mit ihrem Kind. Isabelle folgt ihrer Spur – und findet ihre Leiche auf der eigentlich so idyllischen Insel Porquerolles. Die Frauen in der Villa fühlen sich bedroht. Wie sich zeigen soll: zu Recht!

Ich hatte schon befürchtet, dass Pierre Martin die Inspiration für Isabelle Bonnet ausgegangen sei, doch im neunten Band der Reihe finden Autor und Kommissarin wieder zu ihrer Anfangsform zurück. Der Kriminalfall ist spannend, wird fesselnd erzählt und hält so einige falsche Fährten bereit. Die Atmosphäre hat mich direkt in die Provence gebracht und die Figuren inkl. Verhaltensmuster wirkten authentisch und gut ausgearbeitet.

Das letzte Buch war also scheinbar nur ein Ausrutscher.

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