Buchiger Adventskalender meets SuB-Abbau (2021)

Die Weihnachtszeit steht vor der Tür und mit ihr auch die Frage nach einem neuen buchigen Adventskalender. Da ich bei der Tradition bleiben wollte, jeden Tag ein Buch auszupacken, zu lesen und eine Kurzrezension auf den Blog zu stellen, war ich natürlich hinsichtlich des Seitenumfangs schon einmal eingeschränkt: Mehr als 250 Seiten sind einfach nicht drin.

Und wie ich so an meinem Schreibtisch sitze und darüber nachdenke, fällt mein Blick auf das Regal direkt neben mir, das gefühlt hunderte von Büchern enthält, die nur darauf warten, endlich gelesen zu werden. Dabei kommt mir die zündende Idee: Warum nicht den Adventskalender mit einem Projekt zum SuB-Abbau verbinden? Und tatsächlich entdecke ich beim Durchstöbern einige dünnere Bücher, die sich perfekt dafür eignen würden. Mehr noch: Jedes einzelne von ihnen hat erneut mein Interesse geweckt, sie unbedingt lesen zu wollen. Ich freue mich richtig darauf! Ein weiterer Pluspunkt ist, dass dieser Kalender völlig kostenneutral bleiben wird. Na gut, vielleicht nicht vollständig, denn nach einem Blick auf meinen Kilometerlangen Wunschzettel habe ich auch dort einige Exemplare entdeckt, die sich an einem Tag lesen ließen.

Für den 24. wurde mir vor einigen Wochen sogar schon nichtsahnend (weder vom Verlag noch von mir) ein Rezensionsexemplar zugeschickt, das sich hervorragend als Abschlussbuch für diesen besonderen Kalender eignet.

Es wird in diesem Jahr also abwechslungsreich, denn aus jedem Genre ist was dabei.

Na dann: lassen wir meinen SuB schrumpfen!

1. Türchen: Lorraine Fouchet – Pinguine bringen Glück – Atlantik Verlag – 256 Seiten – 09. Januar 2021

Warum man manchmal ans Ende der Welt reisen muss, um seinen Platz darin zu finden:
Ein Pariser Wohnhaus, in dem alle Bewohner einer weitverzweigten bretonischen Familie angehören: Hier lebt Dom mit seinem Vater, die Mutter hat sie vor Jahren verlassen. Als sein Vater an einem Herzinfarkt stirbt, wird Dom nicht nur von Trauer überwältigt, sondern auch mit zahlreichen Rätseln konfrontiert. Wer war die blonde Frau, in deren Armen sein Vater laut Aussage des Notarztes gestorben ist? Und warum ist in einem Kondolenzbrief aus Argentinien von der Tochter seiner Eltern die Rede, wo Dom doch Einzelkind ist? So viele Geheimnisse in einer Familie! Dom macht sich auf den Weg nach Patagonien, um zu erfahren, wer seine Eltern waren.
Ein Roman, so herzerwärmend wie humorvoll, über das Glück, eine Familie zu haben – und sich neue Familienmitglieder selbst zu wählen, sodass man auch in den traurigsten Momenten nicht allein ist.

Eigentlich wollte ich mit diesem Buch nach Patagonien reisen, so wie es der Klappentext verspricht. Doch statt eines Reiseabenteuers erwartet uns eine verzwickte Familiengeschichte, erzählt aus der Perspektive eines Teenagers und seiner Tante. Die Charaktere sind wirklich toll, alle sehr detailliert und authentisch ausgearbeitet. Nur Tifenns Verhalten am Ende der Geschichte kann ich nicht nachvollziehen. Grundsätzlich war das letzte Viertel für mich nur schwer auszuhalten, weil ich von einer Begebenheit getriggert wurde, durch die ich mich so gut in Tifenns Situation hineinversetzen konnte, dass ich nicht glauben kann, jemand mit ihrer Erfahrung würde so handeln. Insgesamt fand ich die Auflösung der Geschichte etwas merkwürdig.

Nach Südamerika geht es erst in der zweiten Hälfte des Buches, vorher spielt die Handlung in Paris. Doch der Autorin gelingt es nicht, die Atmosphäre dieser traumhaften Metropole einzufangen. Stattdessen verwirrt sie uns mit zahlreichen eingestreuten bretonischen Begriffen. Ich hatte nicht erwartet, dass die bretonische Mentalität im Vordergrund steht. Patagonien wird hingegen nur ein Zwischenstopp auf der Suche nach Antworten. Auch nach Argentinien kann mich der Roman nicht versetzen…

Aber er ist wirklich spannend geschrieben.

Alles in allem habe ich das Buch ganz gern gelesen, aber eher wegen der interessanten Familiengeschichte. Für meine literarische Weltreise ist es leider ungeeignet.

2. Türchen: Tschingis Aitmatow – Dshamilja – Insel Verlag – 109 Seiten – 07. März 2016

Im zentralasiatischen nordöstlichen Kirgisien, irgendwo im Tal des Kukureuflusses, im Sommer des dritten Kriegsjahres 1943, hat sie sich abgespielt, »die schönste Liebesgeschichte der Welt« (Aragon). Said, der damals Fünfzehnjährige, der nicht wußte, wie Liebe sich zuträgt, erzählt sie mit großem Erstaunen.

Dieses Buch wurde mir zwar irgendwo empfohlen, aber letztendlich war es ein reiner Coverkauf. Das seltsame ist nämlich, dass es gar keinen Klappentext hat. Nirgends findet sich eine Inhaltsangabe. Doch die traumhaft schönen Illustrationen von Stefanie Harjes haben mich sofort begeistert – was man von der Lektüre leider nicht sagen kann. Im Großen und Ganzen geht es um eine verbotene Liebe mit einem stillen Beobachter, der gerade erst das Leben entdeckt. Die Atmosphäre der russischen Steppe vermag die lahme Handlung leider nicht auszugleichen. Einzig die Bilder sind zauberhaft. Wenn das Buch in mein Regal einzieht, dann nur als Deko-Objekt. Oder ich kopiere mir einige der Zeichnungen heraus, um sie einzurahmen und aufzustellen.

3. Türchen: Mohamed Amjahid – Der weiße Fleck – PIPER – 224 Seiten – 01.03.2021

Weiße Privilegien, Andersmachung von verletzbaren Minderheiten und rassistische Gewalt – die aktuelle Debatte zeigt, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben. Auch wenn das Bewusstsein für die Ungleichheit gewachsen ist: Rassistisches Denken ist nach wie vor tief in uns allen verankert – und doch unsichtbar für die weiße Mehrheitsgesellschaft. Diese blinden Flecken will Mohamend Amjahid auflösen. Er zeigt nicht nur, wie das System weißer Privilegien wirkt, sondern auch ganz konkret anhand von fünfzig Empfehlungen, wie wir Rassismus verlernen und so einer friedlichen, gerechten und inklusiven Gesellschaft gemeinsam näherkommen.

Um es vorweg zu nehmen: Meine Erwartung an dieses Buch war hoch. Von daher ist es vielleicht nicht ganz so überraschend, dass mir Mohamed Amjahid nichts wirklich Neues vermittelt konnte. Und ich würde nicht behaupten, dass ich mich schon viel mit dem Thema Rassismus auseinander gesetzt habe. Umso erschreckender ist es also, dass man Weißen anscheinend noch so viel Grundlagenwissen über das menschliche Miteinander vermitteln muss. Nur befürchte ich eben, dass es gerade nicht diejenigen sind, die dieses Buch lesen. Für mich war es daher eine Art friendly reminder, meine Verhaltensweisen und auch Kommunikation nochmal zu reflektieren. Vor kurzem wurde in unserer Fakultätsbibliothek ein Regal mit Lektüren die sich weniger mit Physik beschäftigen als vielmehr mit gesellschaftsbezogenen Themen. Dafür werde ich das Buch vermutlich spenden.

4. Türchen: Patrick Deville – Viva – Unionsverlag – 256 Seiten – 15.07.2019

Leo Trotzki, Revolutionär auf der Flucht, irrt durch die Welt und steigt schließlich in Mexiko von Bord eines norwegischen Tankers. In Frida Kahlos Garten betrachtet er indianische Skulpturen, tropische Farne und Kakteen in roten Tontöpfen und brütet über der Entgleisung der Russischen Revolution.

Währenddessen landet der mittellose Schriftsteller Malcolm Lowry in der Bucht von Acapulco. Er will nicht weniger, als die schönste Liebesgeschichte der Literatur erzählen. Zum Rhythmus des auf die Erde prasselnden Regens schreibt er sein Meisterwerk Unter dem Vulkan.

Patrick Deville folgt den Spuren jener Männer und Frauen, die unsterblich geworden sind, kreuzt ihre Wege und verwebt ihre Geschichten zu einem virtuosen Mosaik.

Heute habe ich meine Challenge nicht geschafft. Denn dieses Buch ist einfach kein One-Day-Read. Ich bin gerade mal bis Seite 77 gekommen. Anfangs dachte ich sogar kurz daran, die Lektüre abzubrechen, doch dann begriff ich, dass man sich für diesen Roman Zeit nehmen muss. Und so google ich Trotzki, Muralisten und die Kul-Scharif-Moschee statt zügig weiterzulesen. Daran hindert jedoch schon die nicht ganz flüssige Schreibweise. Die Perspektive springt zwischen einem (unbeteiligten?) Erzähler und einer Ich-Perspektive, wobei ich noch nicht herausgefunden habe, wem dieses Ich eigentlich gehört. Die vielen Namen von Personen samt Pseudonymen hemmen ebenfalls den Lesefluss. Für Einsteiger:innen ist das Buch eher nicht geeignet, außer man bringt viel Lust, Muße und Zeit mit, um in die Geschichte eintauchen zu können. Mittlerer Weile bin ich mir sicher, es lohnt sich. Also wandert das Buch vorerst unbeendet auf meinen SuB zurück.

Raeubertochter: 3 – Regal ungelesener Bücher: 1

5. Türchen: Lin Rina – Animants Welt – Drachenmond Verlag – 192 Seiten – 18.09.2019

Meine beste Elisa.Es ist so weit! Die Vorkehrungen sind getroffen, alles Nötige ist gepackt und meine Mutter sogar endlich zufrieden mit der Auswahl meiner Garderobe. Am Mittwoch in einer Woche werde ich nach London zurückkehren. Eine Sammlung von Kurzgeschichten, Briefen, Notizen und die Entstehungsgeschichte rund um das Buch Animant Crumbs Staubchronik…

Wer, wenn nicht Lin Rina mit ihrer zauberhaften Animant Crumb, könnte den Fluch meines buchigen Adventskalenders brechen. Und tatsächlich, obwohl die Lektüre der Staubchronik bereits mehrere Jahre zurück liegt, bin ich sofort wieder in der Geschichte und das Wiedersehen mit den Charakteren ist wie ein Treffen mit alten Freunden. Ich hätte nicht gedacht, wie sehr sie mir fehlen.
Für alle Bücherfans da draußen: „Animant Crumbs Staubchronik“ ist das perfekte Buch: Eine Zeitreise ins London des 19. Jahrhunderts, eine zauberhafte Bibliothek, wunderbare Figuren (insbesondere eine starke Protagonistin) und eine traumhafte Liebesgeschichte. „Animants Welt“ ist – wie der Untertitel verrät – ein Buch über Staubchronik. Jeder Charakter wird noch einmal ausführlich vorgestellt, es gibt Kurzgeschichten, Briefe und Anekdoten zur Entstehungsgeschichte. Für alle Fans ein unbedingtes Muss und für all deren Lieben eine tolle Geschenkidee. Ich starte in den Weihnachtsferien in jedem Fall einen re-read der Staubchronik und kann es kaum erwarten.

6. Türchen: Patrick Ness – Und der Ozean war unser Himmel – cbj – 160 Seiten – 14.06.2021

In der Tiefe lauern Monster, doch die schlimmsten erschaffen wir selbst …

Die stolzen Wale in Bathsebas Herde leben für die Jagd, riskieren alles in dem ewigen Krieg gegen die Welt der Menschen. Als sie ein treibendes Schiff attackieren, rechnen sie mit leichter Beute. Doch stattdessen stoßen sie auf die Spur einer Legende, eines Monsters, vielleicht des leibhaftigen Teufels selbst …

Angefixt vom @the_zuckergoscherl und überzeugt vom traumhaften Cover landete dieses Buch auf meinem Wunschzettel. Gekauft habe ich es aber wegen der ungewöhnlichen Idee zur Story: Patrick Ness greift Melvilles Klassiker Moby Dick auf und verkehrt ihn ins Gegenteil. Es ist der Wal, der jagt und nach Rache sinnt. Die Oberfläche ist der Abgrund und das Meer der Himmel. Ergänzt um wunderschöne Zeichnungen von Rovina Cai dachte ich eigentlich, es wäre ein Kinderbuch und hatte es schon als Weihnachtsgeschenk für einige Freundinnen vorgesehen.

Ich wollte das Buch sooo gern lieben. Ein interessanter Plot, Galeriewürdige Illustrationen und eine Botschaft, die zum Philosophieren anregt. Trotzdem hat mich die Geschichte einfach nicht berührt.

Und jüngeren Leser:innen würde ich das Buch eigentlich nicht empfehlen, denn es geht schon recht brutal zu (na gut, Mobi Dick ist jetzt auch nicht zimperlich).

Für Erwachsene steckt in der Handlung vor allem die Frage: woher kommt unser Weltbild und wann sollten wir es überdenken? Gibt es eine absolute Wahrheit oder ist doch alles eine Frage der Perspektive?

7. Türchen: Jessica J. Lee – Zwei Bäume machen einen Wald – Matthes & Seitz Berlin – 216 Seiten – 2020

Als Jessica J. Lee durch Zufall die gut versteckten Aufzeichnungen ihres verstorbenen Großvaters in die Hände fallen, entschließt sie sich, nicht nur ihrer Familiengeschichte nachzuspüren, sondern auch die Insel zu erkunden, auf der ihre Großeltern den Großteil ihres Lebens verbrachten: Taiwan. Im Bestreben, diese zwischen tektonischen Platten und gegensätzlichen Kulturen gelegene Insel der Extreme zu erforschen, legt Jessica J. Lee frei, inwiefern menschliche Schicksale mit geografischen Kräften zusammenhängen. Angetrieben von dem Wunsch, zu verstehen, welche Erschütterungen ihre Familie erst von China nach Taiwan und schließlich nach Kanada führten, spürt sie anhand dieser Insel mit ihren hohen Bergen, dem offenen Tiefland und den dicht bewachsenen Wäldern der Migrationsgeschichte ihrer Vorfahren mit all ihren Abgründen und Geheimnissen nach. Lee führt uns durchs Gebirge, in denen die Taiwangoldhähnchen zu Hause sind, berichtet von seltenen Vögeln und schwimmt in zedernbedeckten Seen. Doch jenseits ihrer persönlichen Erkundungen wirft Lee auch einen kritischen Blick auf die ehemaligen Kolonialherren Taiwans.

Mit diesem Buch wollte ich literarisch nach Taiwan reisen. Doch viel zu nüchtern werden Sprache, Geschichte und Geografie heruntergerattert. Keinerlei Atmosphäre, keine Emotionen. Wie ein Schulbuch. Daher leider abgebrochen.

8. Türchen: Maurice Leblanc – Arsène Lupin – Die Dame mit den grünen Augen – Belle Epoque Verlag – 244 Seiten – 09.09.2016

Ein Gentleman folgt fasziniert einer unbekannten Schönheit und gerät so unversehens in den Kampf um ein unermessliches Erbe. Der Wettstreit wird mit allen Mitteln ausgefochten – bis hin zum Mord im Nachtexpress nach Monte Carlo.

Auf dieses Buch bin ich durch die Neflix-Serie Lupin aufmerksam geworden. Der Protagonist ist großer Arsène Lupin Fan und eifert ihm nach. Und als ich dann in einer niedlichen Buchhandlung im Urlaub diese Krimi-Reihe in der Schaufensterauslage entdeckte, musste Band I mit. Doch diesbezüglich hat mich die nette Buchhändlerin voll über das Ohr gehauen, denn „Die Dame mit den grünen Augen“ ist bereits Teil 15! Das erklärt aber wenigstens, warum die Lektüre so wirkt, als wäre man schon mittendrin und Arsène Lupin voll eingeführt.
Ich habe zwar schon die Hälfte gelesen, werde mir aber doch erstmal den Anfang bestellen, denn dieser Band ist ziemlich rasant und verwirrend. Ich kann nicht wirklich sagen, ob er mir gefällt.

9. Türchen: Ivar Leon Menger, John Beckmann – Die drei ??? und der dreiäugige Totenkopf – Kosmos – 128 Seiten – 2015

Horror-Regisseur James Kushing erwacht eines Morgens mit einer mysteriösen Tätowierung auf dem Arm: ein dreiäugiger Totenkopf!
Was hat sie mit Kushings nie vollendetem Film zu tun? In der Glamourwelt Hollywoods machen sich Justus, Peter und Bob an die Ermittlungen. Dabei stoßen sie auf das Rätsel um einen Smaragd, der vor Jahren spurlos vom Filmset verschwand…

Die Graphic Novel war eine Überraschung meines Mannes und ich konnte einfach nicht widerstehen. Durch den Blaustich der Zeichnungen gefallen sie mir richtig gut, sogar besser als in „Rocky Beach“. Der Fall an sich ist recht einfach gestrickt und da die Geschichte vor kurzem auch als Hörspiel erschienen ist, kannte ich sie schon. Das hat den Lesespaß aber nicht geschmälert. Insbesondere, weil sich in den Bildern für ausgefuchste Drei ??? Fans allerhand entdecken lässt. Bei aller Spannung sollte man sich also genug Zeit für die gut 120 Seiten nehmen!

10. Türchen: Constantin Schreiber – Die Kandidatin – Hoffmann und Campe – 208 Seiten – 06.05.2021

Deutschland in ungefähr dreißig Jahren, kurz vor der nächsten Bundestagswahl. Die aussichtsreichste Kandidatin für den Posten an der Regierungsspitze ist Sabah Hussein. Feministin, Muslimin, Einwandererin, Mitglied der Ökologischen Partei. Sie genießt eine breite Unterstützung in der Bevölkerung, aber sie hat auch erbitterte Gegner. Sabah Husseins Wahl soll vereitelt werden, mit allen Mitteln. Wie weit werden ihre Widersacher gehen?

Eigentlich würde man vermuten, dass ein Gesellschaftsroman, der von einem Tagesschausprecher veröffentlicht wird, in allen Medien rauf und runter besprochen wird. Nach der Lektüre habe ich eine Ahnung, warum „Die Kandidatin“ eher totgeschwiegen wird. Und auch ich habe kurz überlegt, das Buch einfach unter den Tisch fallen zu lassen.
Dabei klang der Klappentext dieses Romans so vielversprechend und ich habe mich wirklich auf eine intelligente und herausfordernde Zukunftsvision gefreut. Stattdessen lebt das Buch von Klischees, Political Correctness wird total überzeichnet und die Protagonistin ist leider weder Feministin noch tolerant, bedient sich zwielichtiger Methoden und wird letztendlich von einem dubiosen Imam hinter den Kulissen gesteuert. Irgendwie hat der Islam das Christentum als führende Religion im Land abgelöst und Weiße scheinen nun eine Minderheit darzustellen, die aber nicht schützenswert erscheint, weil sie ja selbst so lange an der Macht waren. Die ganze Zeit habe ich darauf gewartet, dass noch eine Wendung kommt; irgendein Kniff, der die Sache auflöst. Stattdessen ist das Ende eigentlich keins und als Leserin bleibe ich äußerst unbefriedigt zurück.
Ich habe wirklich keine Ahnung, was ich von dem Buch halten soll: Ist es Satire? Oder spielt es gar Rechtspopulisten in die Hände? Daher bin ich geneigt zu empfehlen: ignoriert es einfach.

11. Türchen: Kenza Ait Si Abbou – Keine P@nik, ist nur Technik – Gräfe und Unzer – 224 Seiten – 05.08.2020

Computer entscheiden über unseren Job, unseren Krankenversicherungstarif, unsere Partnersuche – sie wissen alles über uns. Aber was wissen wir eigentlich über sie? Was steckt hinter einer App? Warum sollte man bei Tinder nicht alle Profile liken? Weshalb werden manche Menschen von Algorithmen automatisch diskriminiert? Wie „smart“ wird unser Kühlschrank bald sein? Und wieso sollte man Bier und Fertigpizza nie mit Karte bezahlen? Kenza Ait Si Abbou hat Technik für ihr Leben gern. Sie zeigt, wie aus Nullen und Einsen der Quellcode unseres Lebens wird, warum es sich lohnt, kein digitaler Analphabet mehr zu sein, und weshalb man auf Algorithmen ziemlich gut tanzen kann – solange wir ihnen den Takt vorgeben!

Wenn ich als Kind sonntags zu meinen Eltern ins Bett gekrochen bin, hat mein Vater immer mit mir Rechenaufgaben gelöst. In der Grundschule war Mathematik mein Lieblingsfach und im Viereckenraten war ich unschlagbar. Doch als ich in die Orientierungsstufe (so hießen damals Klasse 5 und 6) kam, war es nicht gerade cool – insbesondere als Mädchen – auf Mathe zu stehen. Und so versiegte mein Interesse. Heute ärgere ich mich darüber, denn eine Bankausbildung und ein BWL-Studium später interessiere ich mich sehr für KI und Neuroscience. Trotzdem bin ich nicht gerade Technikaffin. Ich würde furchtbar gern programmieren lernen, schrecke aber immer wieder davor zurück.
Daher war mir die Autorin, die als Kind schneller rechnen konnte, als ihre Mutter Aufgaben stellen, sofort sympathisch und ich dachte mir, ihr Buch bietet mir einen tieferen Einblick in die Welt der Algorithmen.
Kenza Ait Si Abbou verknüpft die Thematik mit persönlichen Erfahrungen und bricht sie auf ein verständliches Maß herunter, was einen wirklich niedrigschwelligen Zugang ermöglicht. Ganz im Sinne Marie Curies („Nichts im Leben ist zu fürchten, nur zu verstehen.“) versucht die Autorin, den Leser:innen die Berührungsängste zu nehmen. Während in den ersten Kapiteln noch Algorithmen und deren Funktionsweisen erläutert werden, geht sie (leider) in den folgenden Kapiteln immer mehr dazu über, lediglich die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten künstlicher Intelligenz zu erläutern. Auch wenn ich das Kapitel über Agrartechnik sehr spannend fand, konnte ich nach dem ersten Drittel nicht mehr allzu viel mitnehmen. Ich würde es also eher Einsteiger:innen empfehlen.
Leider weist das Buch hin und wieder Rechtschreibfehler auf, was mich bei der Thematik doch schon sehr wundert, verfügt doch jedes Textverarbeitungsprogramm über eine Autokorrektur…

12. Türchen: Thomas de Padove – Nonna – Insel Taschenbuch – 175 Seiten – 20.07.2020

Von Kindesbeinen an verbrachte Thomas de Padova die Sommerferien in einem Dorf in Apulien, Geburtsort seines Vaters, Großvaters und Urgroßvaters – drei Männer, die alle irgendwann die Koffer packten und aufbrachen in die Welt. Seine Großmutter dagegen blieb. Jahr für Jahr erwartet sie ihn: eine schweigsame, in Schwarz gekleidete Frau, einfach und doch wie aus einem Roman.

Beginnen wir mit etwas Positiven: Dieser Roman eignet sich definitiv für einen literarischen Ausflug nach Italien. Schreibstil und Atmosphäre versetzen die Lesenden augenblicklich nach Mattinata an die Adriaküste. Google zeigt mir Bilder von schmalen Traumstränden hinter denen sich eine Steilküste erhebt. Genauso habe ich es mir vorgestellt.
Die Handlung selbst ist eher langweilig. Vielleicht hätte der Autor seine Familiengeschichte fiktional etwas aufpeppen sollen. Es gibt kein wirkliches Geheimnis zu lüften, keine große Liebesgeschichte, kein wirkliches Drama. Aber man erfährt einiges über das damalige Leben.

13. Türchen: Agatha Christie – Mord im Orientexpress – Atlantik – 256 Seiten – 08.09.2014

Nach einigen Mühen hat Hercule Poirot ein Abteil im Kurswagen Istanbul – Calais des Luxuszugs ergattert. Doch auch jetzt ist ihm keine Ruhe vergönnt: Ein amerikanischer Tycoon ist ermordet worden, der ganze Zug voller Verdächtiger. Und der Mörder könnte jederzeit wieder zuschlagen. Eine Aufgabe, wie gemacht für den Meisterdetektiv.

Mit dem 13. Türchen erfülle ich gleichzeitig die #readchristie2021 Aufgabe für Dezember: Eine Geschichte, in der schlechtes Wetter vorkommt. Und da ich dafür eine vollständige Rezension erstellt habe, verweise ich hier auch darauf.

14. Türchen: Megan Hunter – Die Harpye – C.H. Beck – 229 Seiten – 21.02.2021

Als Lucy erfährt, dass ihr Ehemann Jake sie betrügt, soll eine verhängnisvolle Abmachung die Ehe retten: Drei Mal darf Lucy Jake bestrafen. Wann und auf welche Weise, entscheidet sie. Ein gefährliches Spiel zwischen Rache und Vergebung entbrennt – und schließlich erwacht eine Seite in Lucy, die schon immer tief in ihr geschlummert hat. Bildreich und sprachmächtig erzählt Megan Hunter ein atemberaubendes, dunkles Märchen über eine Verwandlung, aus der es kein Zurück mehr gibt.

Es gibt zwei Dinge, die ich an diesem Buch nicht verstehe: Den Titel und das Ende. Beides kann ich hier leider nicht mit euch diskutieren ohne gewaltig zu spoilern.
Von Seite 15 bis 184 ist es ein brillant erzählter Einblick in die Psyche einer betrogenen Ehefrau. Als Leser:in begleiten wir die Protagonistin bei der Bewältigung dieses Vertrauensbruchs bis in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele. Ich konnte mich durchaus in sie hineinversetzen.
Und auch wenn ich mir der Fiktion bewusst bin, ertappe ich mich immer wieder dabei, selbstgefällig aufzuatmen, weil es nicht meine Geschichte ist.
Megan Hunter schreibt flüssig und fesselnd. Aber ich habe wirklich nicht kapiert, warum sie auf den letzten Seiten den Sprachstil um 180 Grad dreht und von der klaren stringenten Erzählweise zu einem mystisch-unverständlichen „Geschwurbel“ (ich hab leider einfach kein anderes Wort dafür gefunden) wechselt.
Nichts desto trotz habe ich den Roman an einem Feierabend verschlungen.

15. Türchen: Nell Leyshon – Die Farbe von Milch – Heyne – 208 Seiten – 11.03.2019

Mary ist harte Arbeit gewöhnt. Sie kennt es nicht anders, denn ihr Leben auf dem Bauernhof der Eltern verläuft karg und entbehrungsreich. Doch dann ändert sich alles. Als sie fünfzehn wird, zieht Mary in den Haushalt des örtlichen Dorfpfarrers, um dessen Ehefrau zu pflegen und ihr Gesellschaft zu leisten – einer zarten, mitfühlenden Kranken. Bei ihr erfährt sie erstmals Wohlwollen und Anteilnahme. Mary eröffnet sich eine neue Welt. In ihrer einfachen, unverblümten Sprache erzählt sie, wie ihr Schicksal eine dramatische Wendung nimmt, als die Pfarrersfrau stirbt und sie plötzlich mit dem Hausherrn alleine zurückbleibt.

Als erstes fällt einem die Sprache dieses Romans auf. Sie erinnert an Formulierungen in der Bibel und ist daher auch nicht ganz einfach zu lesen.
Leider kann ich dieses Buch nicht bewerten ohne zu spoilern, denn die nichtssagende unüberraschende Handlung ist der Grund, warum es mir nicht gefallen hat.
Daher bitte nicht weiterlesen, wenn ihr das Buch noch lesen wollt. Außerdem möchte ich eine Triggerwarnung bzgl. sexuellen Missbrauchs aussprechen.
Wie gesagt ist die Story simpel. Wir schreiben das Jahr 1830. Ein Bauer hat vier Töchter, obwohl er lieber Söhne gehabt hätte. Die Protagonistin ist eine davon und kann aufgrund einer Fehlstellung des Beins in seinen Augen nicht so hart arbeiten wie ihre Schwestern. Also „verleiht“ sie ihr Vater gegen Bezahlung an den Pfarrer, damit sie sich um dessen kranke Frau kümmert und im Haushalt zur Hand geht. Obwohl sie weniger körperliche Arbeiten zu verrichten hat als auf dem elterlichen Hof und man sich gut um sie kümmert, möchte Mary nichts lieber als nach Hause (vor allem zu ihrem bettlägerigen Großvater).
Doch auch als die Frau des Pastors stirbt muss sie dort bleiben. Der Pfarrer bringt ihr Lesen und Schreiben bei – als Gegenleistung kommt er jedoch abends in ihr Bett… Bis sie ihn eines Nachts mit einem Draht zum Käseschneiden erdrosselt und dafür mitsamt ihrem ungeborenen Kind gehängt wird.
Wie ihr seht, braucht es keine 200 Seiten, um ihre Geschichte zu erzählen. Das mag daran liegen, dass ich über Schicksale wie Mary’s schon zigmal gelesen habe. Doch hier gab es weder einen emotionalen Zugang, noch eine unterhaltsame Handlung oder historische Informationen. Einzig der Ich-Stil wirkt authentisch. Vielleicht war es das, was mich daran gehindert hat, es abzubrechen. Aber empfehlen kann ich es nicht.

16. Türchen: Nancy Springer – Der Fall des verschwundenen Lords – Knesebeck – 192 Seiten – 20.03.2019

Anders als ihre berühmten älteren Brüder Sherlock und Mycroft führt Enola Holmes ein freies aber abgeschiedenes Leben auf dem Land – bis eines Tages ihre Mutter verschwindet und ihr neben versteckten Banknoten auch einige verschlüsselte Hinweise hinterlässt. Heimlich macht sich Enola auf den Weg ins düstere viktorianische London, um ihre Mutter zu suchen. Doch dort wird sie in die Entführung eines jungen Lords verwickelt und muss in zwielichtigen Gegenden vor mörderischen Gaunern fliehen – immer auf der Hut vor ihren scharfsinnigen Brüdern, die sie zur Erziehung in ein Internat stecken wollen. Wird sie es zwischen all dem Chaos schaffen, die Hinweise zu entschlüsseln und gleichzeitig dem Internat zu entkommen? Der erste Band einer rasant spannenden Buch-Serie über die sympathische kleine Schwester von Meisterdetektiv Sherlock Holmes.

Man nehme die Gebrüder Holmes, erschaffe ihnen eine sehr viel jüngere Schwester und lasse diese ohne Vater (und Erziehung) aufwachsen. Man zeichne sie zugleich intelligent und temperamentvoll, mit einem Faible für Rätsel (wie ihr berühmter Bruder), lasse die Mutter auf mysteriöse Weise verschwinden und drohe der kleinen Enola mit einer Schule für höhere Töchter. Jetzt noch eine Kindesentführung hinzufügen und die gesamte Geschichte in einem flüssig-spannenden Sprachstil geschrieben, schon hat man einen unterhaltsamen Kriminalroman á la Flavia de Luce sowie eine Filmvorlage für Netflix, die ich ebenfalls wärmstens empfehlen kann. Ich freue mich schon auf den nächsten Fall der wissenschaftlichen Perditorin.

17. Türchen: Judith Hermann – Daheim – S .Fischer – 192 Seiten – 28.04.2021

Sie lebt in der Stadt, arbeitet in der Zigarettenfabrik, könnte als Assistentin eines Zauberers auf einem Kreuzfahrtschiff nach Singapur reisen und muss sich entscheiden; ein halbes Leben später fällt ihr dieser lang vergessene Wendepunkt plötzlich wieder ein. Jetzt lebt sie auf dem Land und an der Küste. Sie hat sich ein Haus eingerichtet, schließt eine vorsichtige Freundschaft, versucht noch einmal eine Liebesgeschichte. Kann sie bleiben? Oder wird sie weiterziehen. Sie hat vieles hinter sich gelassen und wird eine andere. Eine alte Welt geht verloren und eine neue entsteht. Judith Herrmann erzählt von der Erinnerung, den Entscheidngen und dem Augenblick, in dem das Leben sich teilt – von einem Aufbruch.

Wie steht ihr zu Buchpreisen? Beim Leipziger Buchmessen Preis 2021 hatte ich gehofft, es würde „Daheim“ gewinnen, da wir das Siegerbuch in einem Buddyread lesen wollten. Und Echos Kammern habe ich dann ja sogar abgebrochen. Aber viel besser ist der Roman von Susanne Hermann leider auch nicht. Und wieder einmal bin ich auf hochtrabende Statments auf dem Umschlag hereingefallen, denn ich dachte die ganze Zeit: „Da muss doch noch was kommen…“
Mir ist es einfach unerklärlich, was die Kulturredakteur:innen in diesem Roman gesehen haben. Ich fand darin weder eine starke Liebesgeschichte, noch konnte ich die Sehnsucht der Protagonistin spüren. Und überrascht wurde ich auch nicht. Für mich war der Roman einfach nur nichtssagend, die Figuren uninteressant und die Handlung langweilig.
Ein weiterer großer Kritikpunkt betrifft die Sprache: Der Roman ist in meinen Augen einfach nicht schön geschrieben. Einfache, kurze Sätze – oftmals mit demselben Wort beginnend – und ohne jegliche Melodie.
Aufruf: Wenn ihr das Buch gelesen und geliebt habt, klärt mich doch bitte auf: Was ist an daran so herausragend? Aber bitte für Nichtliteraturwissenschaftler:innen.
Lession learned: Traue keinem Buch mit Kommentaren statt einer Inhaltsangabe auf der Rückseite! Und leider befürchte ich, ein Buchmessenpreis ist ein sicheres Indiz dafür, dass mir die Lektüre nicht gefallen wird…

18. Türchen: Cho Nam-Joo – Kim Jiyoung , Geboren 1982 – Kiepenheuer & Witsch – 208 Seiten – 11.02.2021

Cho Nam-Joo hat mit ihrem Roman einen internationalen Bestseller geschrieben. Ihre minimalistische und doch messerscharfe Prosa hat nicht nur viele Leserinnen weltweit begeistert, sondern auch Massenproteste in Korea ausgelöst. In einer kleinen Wohnung am Rande der Metropole Seoul lebt Kim Jiyoung. Die Mittdreißigerin hat erst kürzlich ihren Job aufgegeben, um sich um ihr Baby zu kümmern – wie es von koreanischen Frauen erwartet wird. Doch schon bald zeigt sie seltsame Symptome: Jiyoungs Persönlichkeit scheint sich aufzuspalten, denn die schlüpft in die Rollen ihr bekannter Frauen. Als die Psychose sich verschlimmert, schickt sie ihr unglücklicher Ehemann zu einem Psychiater. Nüchtern erzählt eben dieser Psychiater Jiyoungs Leben nach, ein Leben bestimmt von Frustration und Unterwerfung. Ihr Verhalten wird stets von den männlichen Figuren um sie herum überwacht – von Grundschullehrern, die strenge Uniformen für Mädchen durchsetzen; von Arbeitskollegen, die eine versteckte Kamera in der Damentoilette installieren und die Fotos ins Internet stellen. In den Augen ihres Vaters ist es Jiyoung’s Schuld, dass Männer sie spät in der Nacht belästigen; in den Augen ihres Mannes ist es Jiyoung’s Pflicht, ihre Karriere aufzugeben, um sich um ihn und ihr Kind zu kümmern. »Kim Jiyoung, geboren 1982« zeigt das schmerzhaft gewöhnliche Leben einer Frau in Korea und gleichzeitig deckt es eine Alltagsmisogynie auf, die jeder Frau – egal, wo auf der Welt – nur allzu bekannt vorkommt.

Eigentlich hatte ich mich gegen die Lektüre dieses Romans entschieden, weil ich mit der psychischen Störung der Protagonistin nicht wirklich etwas anfangen konnte, mit der das Buch beginnt (und die Leseprobe ging nicht darüber hinaus). Doch dann waren alle so begeistert von der Lektüre, dass ich wissen musste, ob vielleicht nur der Anfang unglücklich gewählt war. Rückblickend betrachtet, verstehe ich tatsächlich nicht, warum es ihr Krankheitsbild sowie einen fiktionaler Psychologen für die Ein- und Ausleitung bedurfte. Die Geschichte hätte auch ohne beides funktioniert.
Wenn man erstmal bei der Lebensgeschichte von Kim Jiyoung angekommen ist, liest sich der Roman flüssig, ist unterhaltsam und …
… macht wütend. Insbesondere darüber, wie weit Korea auch heute noch von der Gleichstellung der Frau entfernt ist. Habe ich das richtig verstanden, dass es immer noch ein legaler Abtreibungsgrund ist, wenn es das Geschlecht ein Mädchen ist? Ich finde das Buch daher selbstverständlich wichtig, vor allem wenn es in Korea für Aufbruch sorgt. Aber so ganz kann ich den Hype, der um diesen Roman gemacht wird dann doch nicht verstehen, denn wenn man sich etwas in das Thema hineinversetzt, überrascht einen der Inhalt nicht wirklich. Vielleicht aber auch nur als weibliche Leserin, denn die angesprochenen Themen sind uns nicht neu. Mir hat die Geschichte jedoch dabei geholfen, Freundinnen mit Kindern besser zu verstehen. Zwar habe ich schon immer bewundert, wie sie es schaffen, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bekommen, aber wie oft sie ihre eigenen Bedürfnisse hintenanstellen, habe ich mir noch nicht so vor Augen geführt.
Ich kann dieses Buch also vor allem Frauen ohne Kinder sowie Männern empfehlen, da es Einblicke in eine völlig fremde Lebenssituation bietet. Das kann bei sozialen Kontakten durchaus hilfreich sein…

19. Türchen: Alexander Gorkow – Die Kinder hören Pink Floyd – Kiepenheuer & Witsch – 192 Seiten – 11.02.2021

Die 70er-Jahre. Eine Vorstadt. Das Westdeutschland der letzten Baulücken, der verstockten Altnazis, der gepflegten Gärten. Die Kriegsgräuel sind beiseitegeschoben, zum Essen geht es in den Balkan Grill, die Einbauküche daheim überzeugt durch optimale Raumnutzung. Für den 10-jährigen Jungen aber ist es eine Welt der Magie, der geheimen Kräfte, des Kampfs des Bösen gegen das Gute. Der Leitstern des Jungen in diesem Kampf ist die große Schwester – das Kind Nr. 1 der Familie. Sie ist herzkrank und sehr lebenshungrig. Mit trockenem Humor und großer Aufsässigkeit stemmt sie sich gegen alle Bedrohungen, nicht zuletzt mithilfe der vergötterten Band Pink Floyd aus dem fernen London, den Kämpfern gegen das Establishment, deren Songs alles zum Glänzen bringen.

Und schon wieder ein Roman, der es vorzog statt einer Inhaltsangabe Kulturredakteur:innen auf der Rückseite zu Wort kommen zu lassen. Dabei bin ich ein Kind der 70er/80er Jahre und hatte mir ein paar Stunden Nostalgie erhofft. Aber vermutlich bin ich doch nicht die richtige Generation, denn nach den ersten 50 Seiten, die mir eher wie 500 vorkamen, habe ich die Lektüre abgebrochen. Ich habe keine Ahnung, was ich mir beim Kauf dieses Romans gedacht habe…

20. Türchen: Mona Ameziane – Auf Basidis Dach – Kiepenheuer & Witsch – 224 Seiten – 07.10.2021

Zuhause ist für Mona Ameziane der Norden des Ruhrgebiets, aber auch der Norden Marokkos. In ihrem ersten Buch erzählt sie vom Aufwachsen zwischen zwei Kulturen, die mehr zu trennen scheint als drei Stunden Flugzeit, von abenteuerlichen Taxi-fahrten durchs Atlasgebirge und von einer leeren Dachterrasse voller Erinnerungen.
Als Mona ihren Vater fragt, wie oft sie wohl schon in Marokko war, denkt er nur kurz nach und antwortet: »Nimm einfach dein Alter mal eineinhalb, das müsste passen.« Wie genau er auf diese Formel kommt, weiß sie nicht, aber sie ist fest entschlossen, noch mehr Fragen zu stellen. Nicht nur ihrem Vater, sondern auch sich selbst und dem Land, das für sie schon immer mehr war als für die meisten Menschen in Deutschland. Mehr als Urlaubsziel oder »Herkunftsland« in der Zeitung nach einem Terroranschlag – mehr als oberflächliche Orientromantik und rassistische Stereotypen. Ihre Suche führt sie nach Fes zum Haus ihrer Großeltern, nach Agadir, wo sie die reichste Seite des Landes kennengelernt hat, und in abgelegene Dörfer, in denen Menschen beim Wort »Europa« nur verständnislos mit den Achseln zucken.

„Auf Basidis Dach“ ist die Pandemiekonforme Gelegenheit, einen anderen Menschen und ihre Geschichte kennen zu lernen, ohne sich der Gefahr einer Virusinfektion auszusetzen. Das Buch liest sich nämlich genau so: Als würden wir Mona Ameziane bei einem Abendessen mit Freunden kennen lernen und Anekdoten unserer Lebensgeschichten austauschen. Es wird viel gelacht und als Leserin merke ich sofort, wie viel Liebe in diesem Projekt steckt, uns an ihrer Suche nach ihren marokkanischen Wurzeln teilhaben zu lassen. Und dabei erfahren wir auch ganz viel über Deutschland. Wir unterhalten uns über alles Mögliche: Über ihr erstes Hammam und wie enttäuscht sie darüber war, dass es sich nicht um ein Spaßbad handelte, über ihre einzige Teilnahme am Schlachtfest in all seiner Blutigkeit und wir stellen uns die Fragen „Wann ist man Deutsch?“ oder „Wo fühlt man sich zu Hause? – und warum?“. Es geht um Religion, Heimat und Tradition. Wertfrei stellt die Autorin Deutsch und Marokkanisch / Christentum und Isam gegenüber. Einzig bei der Gleichstellung weist sie die marokkanische Seite zurecht – aber auf sehr charmante Art. Die Geschichten sind – wie vermutlich in jeder Unterhaltung – mal mehr, mal weniger interessant, mir macht Mona Ameziane jedoch unglaublich viel Lust auf dieses Land, die Menschen und ihre Kultur.
Natürlich geht es auch um Rassismus. Bisher habe ich Menschen aus zwei Kulturen mit zwei Sprachen immer beneidet und erst mit der Lektüre dieses Buches erkannt, dass es auch bedeuten kann zu keinem Land zu gehören, weil dich niemand als vollwertiges Mitglied betrachtet…
Seit „Schatten über Marrakesch“ möchte unbedingt mal nach Marokko. Am liebsten natürlich mit einheimischen Guide – nicht (nur) um den Touristenpreis zu umgehen – sondern um die wahren Dächer Marokkos kennen zu lernen.

21. Türchen: Garth Greenwell – Was zu Dir gehört – Suhrkamp – 238 Seiten – 15.12.2019

Ein Amerikaner betritt die öffentlichen Toiletten des Kulturpalasts von Sofia, Bulgarien. Dort unten, wo niemand einfach so hingeht, trifft er Mitko, der Charisma ausstrahlt und Gefahr. Der Amerikaner bezahlt Mitko für Sex und trifft ihn danach immer wieder, gefangen in seinem Begehren und in einer Beziehung, in der Zärtlichkeit umzuschlagen droht in Gewalt. Und während er sich seiner komplizierten Vergangenheit stellen muss, kann er weder seinem Verlangen entkommen noch den Privilegien als Ausländer, die ihn von Mitko trennen.

Ich weiß noch wie ich im Buchladen stand, in diesen Roman hinein las, in weg legte, wieder in die Hand nahm, noch eine Seite las und ihn schlussendlich kaufte. Eine Fehlentscheidung, ich hätte meinem ersten Bauchgefühl vertrauen sollen.
Ehrlich gesagt, weiß ich auch gar nicht, wie ich die Lektüre beschreiben soll. Es geht um gekauften Sex. Der namenlose Ich-Erzähler ist Lehrer in Bulgarien, stammt aber ursprünglich aus den USA. Er trifft auf Mitko, einem Stricher, dem er hoffnungslos verfällt, der ihn jedoch (in meinen Augen) ausnutzt. Vielleicht hat er aber auch einfach keine Wahl, ohne geregelte Arbeit ist er auf die Hilfe von „Freunden“ angewiesen, zögert sexuelle Gefälligkeiten hinaus, um einen Platz für die Nacht zu haben. Trotzdem findet sich Mitko bald in einem Teufelskreis aus Prostitution, Alkohol, Drogen und Gewalt wieder. Und selbst wenn wir glauben, der Protagonist hätte sich endlich von ihm gelöst, braucht es nur eine Begegnung, um alles wieder an die Oberfläche zu bringen: Das Verlangen und die Scham.
Wenn weitere Figuren in Erscheinung treten, werden sie nur mit dem Anfangsbuchstaben aufgeführt.
Die Handlung enthält sehr explizite Szenen, die Sprache ist grob und die Geschichte langweilig erzählt. Ja, es geht ein wenig um Macht – aber Liebe habe ich darin nicht entdeckt.
Dass die Geschichte in Sofia spielt, kommt atmosphärisch leider überhaupt nicht rüber.
Ich habe nur ca. 50 Seiten Wort für Wort gelesen und dann angefangen quer zu lesen, einfach, weil ich wissen wollte, ob da noch was kommt. Kam aber nichts…
Vielleicht habe ich aber auch einfach den Subtext und die darin verborgene Botschaft einfach nicht verstanden.

22. Türchen: Markolf H. Niemz – Lucy mit c – Edition BoD – 172 Seiten – 2008

Reist unsere Seele dereinst mit Lichtgeschwindigkeit ins Jenseits? Lässt sich das Phänomen der Nahtoderfahrungen erklären? Markolf H. Niemz liefert in seinem spannenden Wissenschaftsroman neue Indizien für ein Leben nach dem Tod.
Mit seiner Hypothese, dass unsere Seele mit dem Tod auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird, bringt Markolf H. Niemz eine ganz neue Theorie in die moderne Sterbeforschung ein. Als Wissenschaftler und Professor für Medizintechnik zeigt er eindrucksvolle Analogien zwischen den Erkenntnissen der modernen Physik und erlebten Nahtoderfahrungen auf. Begleitet von Lucy, der Erzählerin, begibt sich der Leser in einem Raumschiff auf einen abenteuerlichen Flug durch Raum und Zeit. Die Reise führt zu dem bemerkenswerten Schluss, dass sich religiöse und naturwisschenschaftliche Denkweisen derart ergänzen, dass die Existenz eines Lebens nach dem Tod zwingend notwendig erscheint.

Da verbarg sich doch hinter dem 22. Türchen glatt noch ein Jahreshighlight.
Allerdings würde ich das Buch anders als der Autor nicht in die Kategorie Wissenschaftsroman einordnen, denn das einzig fiktionale sind die Erzählerin Lucy sowie das Raumschiff, mit dem wir uns auf diese Reise begeben. Für mich ist es eher ein unterhaltsames Sachbuch und damit in erster Linie eins: spannend und lehrreich! Der Autor ist Physiker und wenn wir uns darauf einlassen, versucht er, Naturwissenschaft und Theologie/Philosophie in Bezug auf ein mögliches Leben nach dem Tod in  Einklang zu bringen. Akzeptiert man seine zugrunde liegende Hypothese, dass die Seele nach dem Tod auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird, kann man sich mit Hilfe einiger physikalischer Effekte den theologischen Begriffen Ewigkeit, Omnipräsenz und Jenseits annähern. Faszinierend! Die einfache Sprache und zahlreiche Grafiken sorgen für eine gute Lesbarkeit. Man muss also kein:e Naturwissenschaftler:in sein, um dem Autor folgen zu können. Aber ein gewisses akademisches Grundverständnis wird schon vorausgesetzt.
Besonders spannend finde ich, dass es ein dynamisches Buch ist. Veröffentlicht wird es als sog. Book on Demand, d.h. es wird erst gedruckt, wenn jemand es bestellt. Diese Vorgehensweise erlaubt es dem Autor, Feedback immer wieder einzuarbeiten. Und das ist ausdrücklich gewünscht. Nur, fällt mir gar kein Kritikpunkt ein…

23. Türchen: Yishai Sarid – Siegerin – Kein & Aber – 240 Seiten – 16.02.2021

Wie lernt man zu töten, ohne daran zu zerbrechen? Als Psychologin berät Abigail seit Jahren erfolgreich das israelische Militär, wie es Soldaten besser auf Einsätze vorbereitet. Doch dann wird ihr einziger Sohn Schauli einberufen, und sie muss sich entscheiden: Was wiegt schwerer, das Wohl ihres Landes oder das ihres Kindes?

Hinter dem vorletzten Türchen habe ich glatt noch einmal einen Schatz geborgen. Tatsächlich hat mich die Geschichte so bewegt, dass mir eine Kurzrezension nicht ausreichend erschien. Daher geht’s hier zur ausführlichen Bewertung.

24. Türchen: Joachim Sohn – Wie ich mit Jesus Star Wars rettete – Alibri – 278 Seiten – 2021

Skeptiker und Star Wars-Fan Florian Schneider hat die Weltgeschichte verändert, indem er erfolgreich in die Vergangenheit reiste und Jesus Star Wars zeigte. Doch die Star Wars-Welt, die er dadurch erschaffen hat, ist so ganz anders, als er es sich erhofft hatte. Zu allem Unglück will man ihm auch noch an den Kragen. Um Star Wars und sich selbst zu retten, sieht Florian nur eine Möglichkeit: Er muss erneut in die Vergangenheit reisen, Jesus ein weiteres Mal treffen und einige Ereignisse in der Geschichte korrigieren. Um dem Schicksal anderer Zeitreisenden zu entgehen, denkt sich Florian alias Ben Faber einen ausgeklügelten Plan aus. Doch schon bald begegnen ihm Personen, mit denen er nicht gerechnet hat…

Wie gut kennt ihr die Geschichte Jesu? Und wie könnte man ihn auf seinen ursprünglichen Pfad zurückführen, wenn er von einem Zeitreisenden Star Wars Fan mit Jediismus sozialisiert wurde? Vor diesem Problem steht nämlich unser Protagonist Florian Schneider alias Ben Faber…
An dieser Stelle sei angemerkt, dass es sich bei dem Buch „Wie ich mit Jesus Star Wars rettete“ um eine direkte Fortsetzung handelt und man unbedingt zuerst „Wie ich Jesus Star Wars zeigte“ lesen sollte. Zum einen, weil es die bessere Lektüre ist und zum anderen, weil man sonst überhaupt nichts verstehen würde. Wirklich nichts. Nada. Gleiches gilt übrigens, wenn man Star Wars nicht kennt (diese Bildungslücke solltet ihr jedoch schnellstmöglich beheben!).
Noch einmal kurz zur Erinnerung: Unser Protagonist wollte mit einer Zeitreise beweisen, dass Religion immer der Fantasie ihrer Anhänger entspringt und ihre Lehren austauschbar sind. Er zeigte Jesus Star Wars und initiierte damit den Jediismus. Wieder zurück in der Gegenwart muss er feststellen, dass seine Hypothese zwar richtig, das Endergebnis jedoch alles andere als Friede, Freude, Eierkuchen ist. An diesem Punkt setzt Teil II an.
Im Prinzip begleiten wir Ben Faber also die ganze Zeit dabei, wie er mit allen Mitteln versucht, aus Jesus wieder Jesus zu machen. Damit entzaubert er gewissermaßen dessen Mythos mitsamt seinen  Wundertaten. Man könnte also sagen, der neue alte Lebensweg Jesu Christi ist auf Tricks und Augenwischerei seitens unseres Zeitreisenden aufgebaut. Angefangen beim über das Wasser laufen (mittels Balken unter der Wasseroberfläche), über sämtlichen Heilungen (was man mit Penicillin alles in Ordnung bringen kann) bis hin zur Kreuzigung (dem Wissen um die Sinnhaftigkeit einer Lungenpunktion sei Dank).
Dabei hat Joachim Sohn wieder extrem gut recherchiert und man merkt, dass er auf das Fachwissen von Expert:innen zurückgegriffen hat. Und hätte ich nicht schon das Buch Ana von X gelesen, die Lektüre hätte mir einiges über die biblischen Ereignisse beigebracht.
Trotz der komplexen Thematik ließ sich das Buch gut wegschmökern.
Die Figuren sind wieder toll gezeichnet und wir treffen auf viele alte Bekannte wie Sarah und Maria. Einzig der Titel führt etwas in die Irre, denn es geht eher um die Gegenwart, die Ben Faber zu retten versucht, nicht Star Wars…
Fazit
Die Idee ist weiterhin cool, wenngleich sie schwächer umgesetzt wurde als in Teil I. Mir hat vor allem das philosophische gefehlt, die Analogien, so dass man was zum Nachdenken hatte. Aber es war eine unterhaltsame Religions- bzw. Geschichtsstunde über die wichtigsten Jahre Jesu Christi.
kostenloses Rezensionsexemplar
Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Verlag zur Verfügung gestellt. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.

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