Sonnenhang von Kathrin Weßling

Bücher, die sich mit dem Thema unerfüllter Kinderwunsch beschäftigen, kaufe ich fast unangelesen, weil sie einen Nerv bei mir treffen. Leider gibt es sehr wenige Autor*innen, die sich an diese Thematik heranwagen; vielleicht auch zu Recht, denn diese Situation authentisch darzustellen, ist schwierig.

Klappentext

Während ihre Freundinnen Kinder bekommen und Instagram eine einzige Happy-Wife-Happy-Life-Show zu sein scheint, sitzt Katharina in ihrer Wohnung und betäubt sich mit Arbeit und Trash-TV. Mit Ende dreißig hat sie sich arrangiert mit diesem recht ereignislosen Leben, in dem noch alles möglich ist. Das zumindest glaubt sie, bis sie erfährt, dass sie keine Kinder mehr bekommen kann. Plötzlich fühlen sich die Nächte in Kneipen und die Tage am Schreibtisch nur noch sinnlos an. Dann nimmt sie eine ehrenamtliche Stelle in der Seniorenresidenz Sonnenhang an. Die Wochenenden bestehen nun aus Eierlikörschmuggel, Kniffeln und skurrilen, liebenswürdigen Begegnungen. Als die nächste große Entscheidung ansteht, muss Katharina sich fragen, was sie eigentlich will. Und ob sie nicht ganz unbemerkt schon längst gefunden hat, wonach sie so verzweifelt sucht.

Meine Meinung

„Sonnenhang“ ist endlich mal ein Roman, der das Thema ungewollte Kinderlosigkeit ehrlich und authentisch aufgreift, was vor allem bedeutet: schmerzhaft und ohne rosarotes Happy End. Ich kann kaum glauben, dass es keine autobiografischen Elemente erhält, weil es so nahbar geschrieben ist.
Während Katharinas Umfeld Kinder bekommt und auf Social Media das perfekte Familienleben inszeniert, erfährt sie, dass sie selbst keine Kinder mehr bekommen kann. Plötzlich steht sie neben dem Leben und wird zur Außenseiterin – ein Gefühl, dass die Autorin sehr erfahrbar eingefangen hat.

Kathrin Weßling findet klare, einfühlsame Worte für Katharinas Schmerz. Ihr Leben, das zuvor aus Arbeit, Kneipenbesuchen und Trash-TV bestand, wirkt nach der Diagnose plötzlich leer. Dabei ist die Protagonistin, ihre Situation und wie sie damit umgeht, sehr authentisch und einfühlsam beschrieben. Besonders gut hat mir das Bild des Donuts gefallen: also dass Katharina nach der Entfernung ihrer Gebärmutter ein Loch im Bauch hat, das gefüllt werden muss – mit was oder wem auch immer. Ich finde es wichtig aufzuzeigen, dass Elternschaft nicht das einzige Glück auf dieser Welt ist. Und so wagt auch Katharina einen neuen Schritt, statt in Selbstmitleid zu versinken: eine ehrenamtliche Tätigkeit im Pflegeheim „Sonnenhang“.

Hier beginnt ein zweiter, leiser Erzählstrang über Alter, Einsamkeit und Würde. Mit den skurrilen Bewohner*innen, die Eierlikör schmuggeln und beim Kniffeln zu schummeln versuchen, gibt es liebevolle wie schräge Begegnungen. Das lockert die schweren Themen auf und wirft zugleich neue Fragen auf: Was bedeutet es, für andere da zu sein? Macht Familie automatisch weniger einsam? Und wie geht man damit um, wenn Körper und Geist versagen und man selbst nicht mehr für sich sorgen kann?

Dabei bleibt der Roman die ganze Zeit über wohltuend realistisch. Selbst Katharinas Schwärmerei für den gutaussehenden Pfleger Umut lässt sie nur noch authentischer erscheinen.  Zwar droht das Ende kurz ins Kitschige abzurutschen, doch Weßling nimmt gekonnt die Kurve.

Der Schreibstil lässt sich sehr gut lesen und das Buch enthält zahlreiche wahre Sätze, die ich mir angestrichen habe (ja, ich…). Auf den Punkt bringt es der folgende:

Ganz heimlich hat sie sich aber gefragt, wer eigentlich mal auf sie Rücksicht nimmt.

Kathrin Weßling: Sonnenhang, S. 94

Fazit

Eine sehr berührende Geschichte über einen Schmerz, der kaum zur Sprache kommt und daher vermutlich niemand damit umzugehen weiß.

Ich kann das Buch wirklich allen wärmstens ans Herz legen: Müttern mit kinderlosen Freundinnen wird es helfen zu verstehen und für alle, die in ähnlichen Situationen wie Katharina stecken, ist es ein Buch, das Mut macht.

Kostenloses Rezensionsexemplar

Ich habe dieses Buch als kostenloses Rezensionsexemplar vom Rowohltverlag zur Verfügung gestellt bekommen. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.

Bibliografie

Titel: Sonnenhang

Autorin: Kathrin Weßling

Verlag & Copyright: Rowohlt

Seitenzahl: 224

Erscheinungstermin: 28.01.2025

Preis: 23 € (Hardcover)

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