Der vierte Stopp auf meiner literarischen Reise durch die Philippinen. „Ein ziemlich böses Mädchen“ überzeugt mich schon vom Titel. Es wird etwas weniger politisch, dafür umso gesellschaftskritischer.
Klappentext
Mit ironischem Unterton und viel Witz wirft der Roman einen intensiven, variantenreichen Blick auf die philippinische Gesellschaft. Erzählt aus der Sicht eines heranwachsenden Mädchens, das anfangs noch naiv scheint, dann aber immer genauer und bissiger beobachtet.
Dieses Mädchen, Guada, wächst in Manila bei ihrer Mutter auf, einer Lehrerin, nachdem der Vater, Seemann und Schürzenjäger, sich davon gemacht hat. Um ihr Einkommen aufzubessern, verkauft die Mutter selbstgemachtes Streetfood. Ihre Kochkünste werden von einem schwerreichen Unternehmer mit besten politischen Beziehungen entdeckt, er stellt sie ein und lässt sie und Guada in seinem Luxus-Anwesen wohnen. Das Mädchen wird mit dieser arroganten, korrupten „Elite“ konfrontiert (im Roman gekonnt satirisch vorgeführt), begreift schnell, dass sie nicht dazugehört, zieht sich zurück – und lässt in einem rasanten Schlusskapitel alles hinter sich.
Meine Meinung
Inhaltlich muss ich an dieser Stelle eigentlich gar nichts mehr ergänzen, denn der Klappentext fasst den Plot bis zum Schluss perfekt zusammen.
Dabei schreckt Jessica Zafra in ihrer gesellschaftskritischen Coming-of Age Geschichte vor nichts zurück: Alltagssexismus, religiöser Starrsinn, eine konservative Mittelschicht und extreme Klassenunterschiede. Insbesondere die Schere zwischen Arm und Reich wird so klar gezeigt, dass man sich manchmal fragt, wie dieses Nebeneinander überhaupt funktionieren kann. Sie erschafft damit ein sehr gelungenes satirisches Portrait der philippinischen Upperclass. Interessant fand ich auch, dass sich die Reichen und Mächtigen in einem Umfeld bewegen, dass nach außen hin völlig abgeschirmt erscheint – ganz so, als würde der Wirkungsbereich von Politik und Naturkatastrophen nicht über die Mauern der Villen oder Schulen der Elite hinaus gehen.
Guada selbst mochte ich von Beginn an. Ihre Figur ist komplex gezeichnet: klug, widersprüchlich und lebendig. Ein echter Teenager eben. Dabei ist sie hochintelligent. Sie liebt Literatur wie Dickens und steht gleichzeitig auf die Transformers. In meinen Augen wirkt das authentisch. Ihre Mutter ist ebenfalls ein interessanter Charakter, vor allem wegen ihrer ehrgeizigen Vision für Guada. Sie will ihr die Ausbildung ermöglichen, die sie selbst wegen ihrer frühen Schwangerschaft nicht weiterverfolgen konnte. Der Traum heißt USA, wie bei so vielen Philippinos.
Die übrigen Figuren sind nicht allzu detailliert ausgearbeitet, und dennoch hatte ich sofort ein Bild zu jedem Charakter im Kopf. Dazu passt auch Jessica Zafras humorvoller Erzählton und die vielen kleinen, gut beobachteten Szenen. Die Dialoge sind oft witzig und tragen viel dazu bei, dass sich der Roman trotz seiner gesellschaftskritischen Themen leicht lesen lässt. Die Verknüpfung von Literatur und Popkultur spiegelt sich auch im Glossar wider, in dem Vulkanier aus Star Trek ebenso erklärt werden wie politische Persönlichkeiten.
Was die philippinische Geschichte betrifft, habe ich wieder viel gelernt. „Ein ziemlich böses Mädchen“ rückt die Nachfahren spanischer Kolonialherren in den Fokus und zeigt, wie sehr deren Reichtum bis heute auf Unrecht und Ausbeutung beruht. Die koloniale Mentalität, die sich in der Bevölkerung festgesetzt hat, wird ebenfalls thematisiert und ist in vielen Beobachtungen deutlich spürbar. Auch wenn das Buch bereits vor einigen Jahren geschrieben wurde, wirkt das alles noch erschreckend aktuell.
Fazit
„Ein ziemlich böses Mädchen“ ist ein Coming-of-Age-Roman, eine Gesellschaftssatire und ein präzises Porträt der philippinischen Gesellschaft. Unterhaltsam, gut beobachtet und mit einer jungen Erzählstimme, die mich sofort abgeholt hat. Ein Buch über das Erwachsenwerden in einer Welt, die arm und reich so dicht beieinander liegen lässt und doch streng voneinander trennt. Einzig das Ende lässt mich etwas ratlos zurück.
Kostenloses Rezensionsexemplar
Ich habe dieses Buch als kostenloses Rezensionsexemplar vom Transit-Verlag zur Verfügung gestellt bekommen. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.
Bibliografie

Titel: Ein ziemlich böses Mädchen
Autorin: Jessica Zafra
Übersetzung: Niko Fröba
Verlag & Copyright: Transit Verlag
Seitenzahl: 144
Erscheinungstermin: 24.02.2025
Preis: 20 € (Hardcover)