Meine Reise ins Übermorgenland von Nadine Pungs

Mein Fokus beim Durchstreifen örtlicher Buchhandlungen liegt derzeit eindeutig auf fremden Ländern. Daher sprangen mir Cover und Titel von „Meine Reise ins Übermorgenland“ auch sofort ins Auge. Und auch wenn die Autorin gleich mehrere Länder bereist und beschreibt, eignet sich das Buch hervorragend für meine literarische Weltreise. Man könnte sagen, es ist eine Art Studienreise durch die arabische Halbinsel mit der spannenden Reiseroute: Jordanien – Kuwait – Bahrain – VAE – Oman – Katar.

Erwartet habe ich nämlich eine Art lockerer Reisebericht, so wie es im Moment zahlreiche auf dem Markt gibt. Stattdessen überraschte mich Nadine Pungs mit gut recherchierten und sehr ausführlichen Hintergrundinformationen zu Land, Kultur, Geschichte und Religion.

Der Sprachstil…

…ist etwas gewöhnungsbedürftig, denn es handelt sich um einen (nicht immer passenden) Mix aus Fremdwörtern und Umgangssprache. Ein ziemlicher Stilbruch, wo „strunzendumm“ auf „Faktizität“ (ist das überhaupt ein Wort?) trifft.

Dabei schreibt Nadine Pungs durchaus unterhaltsam. Die Lektüre erschien mir, als würde mir eine Bekannte von ihrem Urlaub erzählen – Na gut, vielleicht eine bekannte Geschichts-Dozentin. Denn der akademische Hintergrund der Autorin wird auf jeder Seite deutlich: man lernt unglaublich viel über die Historische Entwicklung Arabiens.

Schockierendes über den Orient

Wusstet ihr bspw., dass „Aladdin und die Wunderlampe“ sowie „Ali Baba und die vierzig Räuber“ überhaupt nicht in den 282 ursprünglichen Geschichten der späteren „1001-Nacht“ Erzählung enthalten waren, sondern vielmehr von einem französischen Orientforscher ergänzt und anschließend wieder ins Arabische übersetzt wurden? Das ist doch wirklich unfassbar!

Auch die verklärte Romantik des Orients wird dem Leser schnell ausgetrieben. Knallhart werden mir Beispiele um die Ohren gehauen, dass Beduinen Smartphones benutzen und Instagram statt Ziegen füttern und Wadi Rum nicht auf Kamelen sondern im klimatisierten Land Rover erreicht wird.

Aber insbesondere darf man nicht den Anspruch haben, die komplexen Zusammenhänge arabischer Politik vollends nachvollziehen zu können. Zu vielschichtig sind die Beziehungen unter den einzelnen Ländern. Die fremdländisch klingenden Herrschernamen lesen sich klangvoll, werden aber bereits in den nächsten Zeilen von weiteren ebenso exotischen Namen verdrängt und sind spätestens auf der nächsten Seite vergessen.

Die Autorin vergleicht die Verhältnisse mit der Kultserie „Game of Thrones“ Ein treffender Vergleich, wie ich finde:

Der eine koaliert mit dem anderen, dann folgt Verrat, man bekämpft sich, heiratet und schmiedet neue Bündnisse, Sekten beeinflussen die Krone, Thronfolger putschen ihre Väter vom Königsstuhl, und Truppen marschieren auf.

S. 215

Als kleine Hilfe findet sich am Ende des Buches ein Glossar und das Quellenverzeichnis macht Lust auf mehr. Vor allem ist es ein Buch, bei dem ich mir vorstellen könnte, es in kurzer Zeit ein zweites Mal zu lesen.

Natürlich besuchen wir auch die touristischen Highlights, aber Geschichtsstunde und Kulturunterricht überwiegen.

Nadine Pungs…

…hält mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg, wirkt dabei aber nicht belehrend. Amüsiert lese ich, wie sie dem Beispiel der Wochenshow folgt, den AfD-Politiker Höcke, Bernd zu nennen.

Sympathisch ist sie mir trotzdem nicht. Schon auf der ersten Seite irritiert mich der Drogenbezug:

Vor dreizehn Tagen habe ich zum letzten Mal Hasch geraucht.

S. 11

Im Kapitel Bahrain wird mir die Selbstverständlichkeit, mit der die Autorin illegaler Weise Hasch und Marihuana mitraucht, endgültig zu viel.

Ich meine, wie unverantwortlich ist es, zu jemandem ins Auto zu steigen, der nachweislich bekifft oder voll mit Pillen ist?

Das schmälert leider etwas die Sicht auf die dargestellte Gastfreundschaft der Araber. Und die finde ich schier unglaublich. Natürlich zeigt man hierzulande Touristen den Weg,, wenn man gefragt wird, empfiehlt vielleicht auch noch ein Restaurant oder Café, aber ich habe noch nie darüber nachgedacht, jemand völlig Fremdes zu uns nach Hause zum Essen einzuladen.

Fantasie und Wirklichkeit – Ich wär so gern eine Abenteurerin

Ich beneide alle Abenteurer*innen dieser Erde. Und ich würde gern so gern auch eine von ihnen sein. Aber ich bin durch und durch ein Kopfmensch.

  • In der Wildnis übernachten? – Wie soll das gehen, so ohne WC? Häufchen verbuddeln ist ja nicht so meins…
  • Auf einem schwarzen Hengst durch die Wüste galoppieren? – Auf gar keinen Fall, was ist, wenn er mich abwirft? Vermutlich genau auf den Stachel eines kleinen Skorpions. Das sind ja die schlimmsten, hat schon Indiana Jones erklärt. Dabei habe ich in meiner Kindheit sogar mal voltigiert…
  • Gletscherwanderung? – Hallo? Habt ihr nicht „127 Hours“ gesehen?
  • Unter freiem Himmel schlafen? – Ja klar, und morgens bin ich von Mücken zerstochen.

Ich könnte zahlreiche weitere Ausreden finden: Sonnenallergie, Frauenbeschwerden etc.…

Als wir 2017 auf Hawai’i waren, wollte ich todesmutig zum 4207 m hoch gelegenen Mauna Kea, um den Sonnenuntergang und den Sternenhimmel zu bewundern. Doch schon am 2.900m hoch gelegenen Onizuka Center war Schluss: Höhenkrankheit. Ihr seht also, selbst wenn in mir doch mal ein Fünkchen Abenteurergeist aufkommen sollte, versetzt ihm mein Körper umgehend einen Dämpfer…

Aber klischeehaft Deutsch, bin ich zumindest immer perfekt ausgerüstet: Mit Lowa-Schuhen, Vaude-Hosen und Deuterrucksack.

Buchtipp

Bei dem Thema fällt mir übrigens ein anderes Buch ein, was auch ausgesprochen unterhaltsam war. Nicht ganz so lehrreich, dafür mir viel mehr Humor: „Als Schisser um die Welt“ von Jan Kowalsky, erschienen im Goldmann Verlag.

Fazit

Eine rundum gelungene literarische Reise durch Arabien. Nadine Pungs hat es wirklich geschafft, mich in die Wüste zu schicken…

Derzeit gibt es unglaublich viele „Reiseberichte“ auf dem Buchmarkt. Einen literarischen Schatz darunter zu heben ist zumeist harte Recherche- und Reinlesearbeit. In diesem Fall hatte ich aber einfach Glück, dieses Juwel zu entdecken.

Und die eingearbeiteten Fotos wecken natürlich das Fernweh…

Infos

Titel: Meine Reise ins Übermorgenland – Allein unterwegs von Jordanien bis Oman

Autorin: Nadine Pungs

Verlag und Copyright: MALIK

Seitenzahl: 256

Erscheinungsdatum: 02. März 2020

Preis: 18 € (Klappenbroschur)

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