Alles, wovor ich Angst habe, ist schon passiert von Wencke Mühleisen

Dieses Buch habe ich bei der Vorstellung des Gastlandes Norwegen auf der Leipziger Buchmesse 2025 entdeckt und war von der Thematik sofort begeistert.

Klappentext

Im ersten Frühling, den sie allein verbringt, hält sie das Erwachen der Natur für eine Verschwendung von Schönheit an eine tote Seele und bleibt aus reiner Höflichkeit am Leben.
Sie kann die Vorstellung nicht ertragen, den Rest ihres Lebens allein zu verbringen — denn sicher ist sie zu alt für eine neue Partnerschaft? Noch dazu lassen sich während der Pandemie schon gar keine neuen Menschen kennenlernen ohne eine Dating-App. Die Vorstellung, mit einem unbekannten, unvollkommenen Körper ein Bett zu teilen, ihren alternden Körper vorzuzeigen und sich fremden Blicken auszusetzen, ist ihr zunächst unangenehm. Aber schon tauchen neue Menschen im Leben einer Frau auf, die dachte, alles schon hinter sich gehabt zu haben…

Meine Meinung

Was, wenn alles, wovor man Angst haben könnte, schon passiert ist? Die Protagonistin musste jedenfalls schon so einiges Leid ertragen: Sie hat ihre Schwester verloren, wurde vergewaltigt, im Job und mit den eigenen Finanzen läuft es nicht mehr – mit ihrem Mann auch nicht, er verlässt sie. Vor all dem hatte sie Angst und alles ist eingetreten.

Wencke Mühleisen lädt uns ein: in den Kopf der Protagonistin. Durch den verwendeten Ich-Stil fühlt es sich an, als wären wir sie und das ist erstmal kein gutes Gefühl. Wie ordnet man sein Leben neu, wenn alles weg ist, noch dazu mit 69? Das Alter ihrer Namenlosen Ich-Erzählerin musste mir die Autorin allerdings explizit mitteilen, denn angefühlt hat sie sich wie eine 50jährige. Aus Angst vor dem Alleinsein legt sie sich ein Tinder-Profil an und wir begleiten sie durch den Dschungel der Dating Apps und die Schwierigkeit „im Alter“ noch einen Partner zu finden. Es geht also auch viel um Sexualität in diesem Lebensabschnitt und ich finde es gut, dass dies auch endlich mal in einem Buch thematisiert wird. Protagonistinnen in den Fünfzigern sind ja nicht mehr so selten, aber von älteren habe ich noch nicht so viel gelesen. 

Dadurch, dass ich diese schlimme Situation durch die Augen der Erzählerin miterlebt und gesehen habe, wie sie weitermacht, obwohl ihr immer wieder Selbstzweifel kommen und sie Rückschläge einstecken muss, fand ich das Buch auch irgendwie heilsam.

Und so düster, wie sich die Thematik jetzt vielleicht anhören mag, so fesselnd, unterhaltsam und humorvoll ist auch der Schreibstil der Autorin. Das Buch lässt sich zwar nicht so leicht wegsnacken, ist aber trotzdem eine leicht geschriebene Lektüre.

Fazit

„Alles, wovor ich Angst habe, ist schon passiert“ ist das Portrait eines Lebens, das im letzten Drittel noch einmal einen gewaltigen Plottwist hinlegt, vor dem sich wohl jede*r ein wenig fürchtet, aber auch Mut und Lust macht, uns in jeder Phase unseres Lebens neu zu entdecken.

Kostenloses Rezensionsexemplar

Ich habe dieses Buch als kostenloses Rezensionsexemplar vom Nagel und Kimche Verlag zur Verfügung gestellt bekommen. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.

Bibliografie