Das Herzflorett von Marica Bodrožić

Eigentlich wollte ich ja mit diesem Buch meine literarische Kroatienreise komplettieren, doch das hat nicht ganz so funktioniert, wie geplant.

Klappentext

Pepsi liebt das Leben und den flimmernden Schlaf des Sommers. Ihre Eltern arbeiten in Hessen und tauchen nur in den Sommerferien auf dem einsamen Hof des Großvaters in Dalmatien auf. Zeitweise kommt sie auch bei anderen Verwandten unter, doch wo immer sie ist, bleibt sie fremd. Nur in der Natur fühlt sie sich aufgehoben, verbringt, fasziniert von der Sprache der Vögel am Himmel, ihre Tage barfuß im Gras. Als die Eltern sie zu ihren Geschwistern in die Einzimmerwohnung in einem Dorf im Taunus holen, will Pepsi sofort wieder weg. Die vom Putzen rissigen Hände der Mutter sind zu keiner Zärtlichkeit fähig. Der Vater beginnt seine Tage mit Schnaps. Das neue Leben hält aber zugleich Dinge bereit, zu denen das Mädchen sich wie magnetisch hingezogen fühlt. Die Welt der Bücher und Buchstaben, die deutsche Sprache, in die sie sich so plötzlich und heftig verliebt wie später in Aleksandar. Doch als sie Abitur machen und studieren will, wird ihr das verboten, weil sie kein Junge ist. Es ist wie ein Stich ins Herz, ein Abschied – und zugleich ein Neubeginn.

Meine Meinung

Die Sprache des Buches ist gleichzeitig sein größter Plus- und Minuspunkt. Marica Bodrožić schreibt zwar bildhaft – ich habe den Hof des Großvaters direkt vor Augen – und blumig, fast schon poetisch, doch gerade letzteres passt das nicht ganz zur jungen Protagonistin, die für ein Kind außerdem ziemlich philosophische Gedanken hat. Trotzdem habe ich mir viele Passagen angestrichen, auch wenn sie nicht ihrem Alter entsprechen:

Ihre Mutter aber ging in der Minuszeit auf, in der Zeit, die sich auf die Vergangenheit ausrichtete und die nicht fließen konnte, sondern sich im bereits Erlebten staute, weil sie durch das Gedächtnis und die Beanspruchung einer bestimmten Erinnerung gebunden wurde und weil der Schmerz davon lebte, dass sich nichts für sie veränderte.

Marica Bodrožić: Das Herzflorett, S. 82

Pepsi ist für mich einfach eine widersprüchliche Protagonistin: Obwohl sie mir durch ihre fröhliche Art ans Herz wächst, halte ich es für wenig realistisch, dass sie trotz der schwierigen familiären Umstände stets fröhlich bleibt.

Aber ihre Entwicklung im Roman – von der Sehnsucht, Kroatien zu verlassen, über die ernüchternde Realität in Deutschland fortan einem trinkenden und gewalttätigen Vater sowie einer gleichgültigen Mutter ausgeliefert zu sein, bis hin zu einem beeindruckenden Weg in ihre eigene Zukunft – ist gut nachvollziehbar und in Teilen sehr berührend.

Am schönsten fand ich die Darstellung wie Sprache, Bücher und Geschichten für Pepsi zu einer Art Flucht werden.

Allerdings bleibt der Roman inhaltlich eher ruhig. Vieles wird nur angedeutet: historische Ereignisse wie Tschernobyl, der Mauerfall oder der Jugoslawienkrieg werden nur am Rande erwähnt. Hier hätte ich mir mehr Tiefe und Kontext gewünscht. Gleiches gilt für das Thema Arbeitsmigration, denn ich hätte gern mehr darüber erfahren, wie das Leben als jugoslawischer Gastarbeiter war. Und auch die Liebesgeschichte zwischen Pepsi und Aleksandar wird nur kurz gestreift. Stattdessen verliert sich der Roman oft in Belanglosigkeiten und endlosen Beschreibungen des Alltäglichen, was meinen Lesefluss hemmt.

Fazit

Ein stilistisch durchaus gelungener Coming-of-Age-Roman, der vor allem die Kraft von Büchern zu kleinen Alltagsfluchten liebevoll schildert. Wer eine ruhige, bildreiche Erzählung mag, wird hier sicher schöne Momente finden. Für mich persönlich blieb es leider inhaltlich zu flach, zu ruhig und zu fragmentarisch, sodass der Funke nicht richtig übersprang.

Kostenloses Rezensionsexemplar

Ich habe dieses Buch als kostenloses Rezensionsexemplar vom Bloggerportal zur Verfügung gestellt bekommen. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.

Bibliografie

Titel: Das Herzflorett

Autorin: Marica Bodrožić

Verlag & Copyright: Luchterhand

Seitenzahl: 288

Erscheinungstermin: 11.09.2024

Preis: 24 € (Hardcover)

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