Mit diesem Buch wollte ich eigentlich nach Kolumbien reisen. Dieses Ziel habe ich definitiv erreicht, aber die starke Eleganz des Buches blieb mir verborgen.
Klappentext
Eine junge Mutter und ihr Sohn durchqueren in einem kleinen Boot den strömenden Fluss Atrato in Kolumbien. Sie ist weiß, er ist schwarz. Die beiden sind auf dem Weg zur leiblichen Mutter und im Laufe der Fahrt erfahren wir ihre gemeinsame Geschichte. Dabei fließt die Erzählung wie der Fluss, der sie trägt. Er ist die Ader der Landschaft, eines Urwalds voller Früchte, Tiere und Düfte, aber auch die Ader des menschlichen Lebens. Als der Junge entscheidet, bei wem er leben möchte, nimmt der Roman eine unerwartete Wendung … Eine literarische Reise von großer Sinnlichkeit über die Zartheit des Mutterseins, die Kraft der Freundschaft und über die Abgründe, die unsere Herkunft mit sich bringen kann.
Meine Meinung
Was meine literarische Weltreise angeht, hat mich das Buch eindeutig nach Kolumbien gebracht. Schließlich spielt sich die gesamte Handlung auf bzw. am größten Fluss Kolumbiens ab. Die Landschaftsbeschreibungen sind sehr bildlich und Lorena Salazar lässt mich auch wirklich in die Atmosphäre des Dschungels und die von Armut gezeichnete, vom Bürgerkrieg betroffene, aber auch sehr naturverbundene Lebensweise der Menschen dort eintauchen; und doch hatte ich mir irgendwie mehr erhofft.
Gleiches gilt für die Handlung, denn eigentlich passiert nicht viel: Eine weiße Frau macht sich mit ihrem schwarzen Ziehsohn auf den Weg über den Fluss, um seine leibliche Mutter zu treffen. Das war’s. Wobei mich das Ende der Geschichte mit aller Heftigkeit trifft. Diese brutale Wendung kommt für mich so aus heiterem Himmel, dass der Schluss nicht zum Rest des Buches passt. Ich vermute, es soll nochmal den Bezug zur politischen Situation des Landes aufzeigen und mag daher auch authentisch sein; trotzdem kann ich mich nicht damit anfreunden.
In dem Roman geht es eher um die Gedanken der Protagonistin und ihre Gespräche mit Menschen, denen sie auf ihrer Reise begegnet. Und da sind ein paar schöne Sätze dabei:
Gina und ich, wir sind unvollständige Mütter. Sie hat ihn geboren und ihm alles gegeben. (…) Der Junge ist nicht ganz meiner und auch nicht ihrer.
Lorena Salazar: Der Fluss ist eine Wunde voller Fische, S. 149
Doch meistens komme ich mit der Sprache von Lorena Salazar nicht klar. Die Poesie darin vermag ich durchaus zu schätzen, aber ich hatte einfach Probleme mit dem Schreibstil und fand ihn schwer zu lesen. Bspw. spricht die junge Ich-Erzählerin mal von dem Jungen und manchmal spricht sie ihn direkt an. Und dann gibt es immer wieder Rückblicke in ihre Kindheit – zumindest denke ich, dass ihre Kindheit gemeint ist.
Fazit
Auch wenn mich die poetische Sprache und die Erzählweise von „Der Fluss ist eine Wunde voller Fische“ nicht ganz erreichen konnten, hat mich das Buch doch mitten nach Kolumbien gebracht, an den mächtigen Atrato, in den dampfenden Dschungel und in eine Lebenswelt, die mir zuvor fremd war. Die ruhige Handlung und der anspruchsvolle Stil waren nicht ganz meins, aber ich kann mir gut vorstellen, dass Leser*innen, die eine atmosphärische, sprachlich kunstvolle und eher leise Geschichte schätzen, hier viel Freude finden werden.
Bibliografie

Titel: Der Fluss ist eine Wunde voller Fische
Autorin: Lorena Salazar
Übersetzung: Grit Weirauch
Verlag & Copyright: Blumenbar
Seitenzahl: 176
Erscheinungstermin: 14.03.2022
Preis: 20 € (Hardcover)