Es war einmal ein blauer Planet von Francois Lelord

Dieses Buch hat sofort meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als ich es auf dem Büchertisch meiner Lieblingsbuchhandlung entdeckte. Allein die Gestaltung ließ mein Leserinnenherz höher schlagen: Angefangen bei der Haptik, über das passende Lesebändchen bis hin zum farbigen Buchschnitt, der das traumhaft gezeichnete Covermotiv aufnimmt und fortsetzt.

Ein weiterer Blick in den Klappentext und die Sache war besiegelt: Dieses Buch musste ich haben!

Robin ist überwältigt, als er aus seiner Raumkapsel steigt. Der warme Sand unter seinen Füßen, der sanfte Wind und das Farbenspiel des Meeres sind so viel besser als jede noch so perfekte virtuelle Realität. Er ist auf der Erde, diesem fernen blauen Planeten, den er bislang nur aus Filmen und Erzählungen kannte. Doch seine Mission ist keine leichte: Können die Menschen auf ihren Heimatplaneten zurückkehren, obwohl sie einst dafür gesorgt hatten, dass er unbewohnbar wurde? Wie sollen sie leben, damit Glück für alle möglich ist?

Handlung

Die Menschheit hat den Mars kolonialisiert, nachdem die Erde unbewohnbar (gemacht) wurde. Dabei hat sich eine Gesellschaft entwickelt, die sich voll und ganz auf eine übergeordnete KI verlässt. „Athena“ berechnet für alles und jede*n die richtigen Entscheidungen. Für die Umsetzung bedienen sie sich einer militärischen Hierarchie mit einer Admiralin. Interessanterweise sind alle Schlüsselpositionen mit Frauen besetzt, weil in der neuen hochtechnologisierten Welt scheinbar weibliche Stärken die Nase vorn haben. Gesellschaftssprache ist Englisch, weil dies der kleinste gemeinsame Nenner war, als die Kolonie gegründet wurde. Leben lässt sich künstlich verlängern, Kinder werden nicht mehr natürlich ausgetragen und sind genetisch perfektioniert. Klassische Familien gibt es nicht mehr. „Mutter“ ist ein Beruf, den man bis ins hohe Alter ausüben kann.
Sog. „Neutren“, bei denen die genetische Manipulation nicht funktioniert hat, werden geduldet, auch wenn sie für die Gesellschaft nicht von Wert erscheinen.
Umso erstaunter sind alle, als Robin, ein ebensolches Neutrum auserwählt wird, um allein zur Erde aufzubrechen.

Charaktere

Doch Robin ist empathisch, er verfügt über ein feines Gehör für Sprachen und ist beliebt. Auch ich mochte ihn auf Anhieb. Ebenso erging es mir mit der Liebe seines Lebens, der sehr authentisch gezeichneten Programmiererin Yû. Sie ist zwar kein Neutrum, d.h. sie ist genetisch verbessert, jedoch wurde ihr Alterungsprozess nicht verlangsamt. Da sie nicht schneller altern möchte als ihr Partner, trennt sie sich trotz ihrer Seelenverwandtschaft von Robin.

Aber nicht nur die Hauptfiguren sind vielschichtig und Detailverliebt ausgearbeitet. Durch die bildhafte Sprache des Autors werden auch die Nebencharaktere und selbst der Supercomputer lebendig.

Schreibstil

Die Geschichte wird größtenteils aus der Perspektive von Robin erzählt. Ab und an erhalten wir auch Einblicke in die Gedankenwelt von Yû.

Ich liebe die Sprache des Buches. Überall finden sich so zauberhafte wie philosophische Gedanken und Sätze wie: „Ich habe die Yû von heute unglücklich gemacht, damit die Yû von morgen glücklich sein kann.“ (S. 178) Der Stil ist flüssig und vermittelt eine ganz besondere Atmosphäre. Als Robin bspw. auf die Erdenbewohner Antina und Tayo trifft, fühle ich mich an eine Außenmission einer Folge Star Trek erinnert.

Verschiedene Ansätze gesellschaftlichen Zusammenlebens

Grds. könnte man sagen, das Buch beschäftigt sich mit der Frage, was wohl die beste Gesellschaftsform für uns Menschen wäre.

Dabei hat mich zunächst die vom Autor geschaffene futuristische Marskolonie fasziniert, wobei mich die zwei folgenden Aspekte besonders zum Schmunzeln brachten:

  • Erstens: Während Ärzte scheinbar leicht durch KI zu ersetzen waren, sind Krankenschwestern und –pfleger immer noch menschlich.
  • Und Zweitens: dass das Konstrukt der Ehe nur noch „Müttern“ empfohlen wird, weil ein „Vater“ bei der „Aufzucht“ von Kindern zwar entbehrlich aber nicht vollends unnütz erscheint.

Auf seiner Reise zur Erde trifft Robin auf zwei Gesellschaften, die sich sowohl voneinander als auch von den „Marsianern“ unterscheiden. Beide Erdenvölker bewohnen jeweils eine polynesische Insel, aber während bspw. die einen strikte Geburtenkontrolle betreiben, um mit dem, was die Insel für sie bereit hält, auszukommen, versuchen die anderen immer mehr Land zu entdecken und zu erobern, um ihre immer größer werdende Gesellschaft ernähren zu können. Während uns Letztere die frühe Menschheitsgeschichte vor Augen führt, erinnert mich Erstere an die Parabel von dem Fischer und dem Geschäftsmann.

Philosophische Denkanstöße

Robin beginnt, sich verschiedene philosophische Fragen zu stellen und insbesondere das Konzept „Glück“ zu erforschen.

Er beschäftigt sich mit Liebe und Treue, Gott und Glauben, Kolonialisierung und Gleichberechtigung, Überbevölkerung und Ausbeutung des Planeten und analysiert die Folgen technischen Fortschritts hinsichtlich Wahl- bzw. Entscheidungsfreiheit.

Über allem steht die Frage nach Glück und möglichen Determinanten (wie bspw. Arbeit). Kommt es von außen? Kommt es von Innen? Oder kommt es vielmehr auf die Perspektive an, aus der wie die Welt betrachten?

Insgesamt wirft der Autor einen Blick in die Zukunft und von dort in die Vergangenheit. Was bleibt ist die Frage: „In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?“

All das in einer Geschichte, die mir sofort ans Herz wuchs.

Fazit

Es war mein erstes Buch von Francois Lelord und in vielerlei Hinsicht erinnerte mich die Geschichte an Tom Demarcos Buch „Als auf der Erde das Licht ausging“. Auch zu Ideen von John Strelecky fand ich Parallelen. Die Idee ist also nicht wirklich neu und doch schafft der Autor das, was ich bspw. bei Prechts letztem Buch so sehr vermisst habe: nämlich den wirklich großen Fragen im Hinblick auf künstliche Intelligenz oder ganz allgemein technischen Fortschritt auf den Grund zu gehen.

Dem Autor gelingt es Abenteuerroman, Liebesgeschichte, Philosophische Denkanstöße und Gesellschaftskritik auf unterhaltsame Weise zu vereinen. Gleichzeitig ist das Buch entspannend, fantasievoll, unterhaltsam und nachdenklich stimmend. Wie nebenbei geht es den großen Fragen des Lebens auf den Grund, ohne zu philosophisch oder gar belehrend zu werden.

Man kann dieses Buch als flüssigen atmosphärischen Roman lesen. Oder aber man folgt Robin in seinen Gedankengängen und beginnt selbst über das Konstrukt Glück und die Frage, wie wir leben wollen, nachzudenken. Aber ihr solltet euch definitiv Zeit dafür nehmen. Und die Antworten finden sich vermutlich nur in uns selbst.

„Es war einmal ein blauer Planet“ war Liebe auf den ersten Blick, die sich zu einer Seelenverwandtschaft entwickelte. Ein Herzensbuch, das ich mit einem seufzenden „Hach, es war so schön“ einfach jedem in die Hand drücken möchte. Es ist eins dieser Bücher, das einen traurig und glücklich zugleich zurück lässt. Traurig, weil man es ausgelesen hat und glücklich, weil man es gefunden hat und lesen durfte.

Außerdem ist das schönste Buch in meinem Bücherregal und wird dort auch einen ganz besonderen Platz erhalten.

Kostenloses Rezensionsexemplar

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Bloggerportal zur Verfügung gestellt. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.

Infos

Titel: Es war einmal ein blauer Planet

Autor: Francois Lelord

Übersetzung: Ralf Pannowitsch

Verlag und Copyright: Penguin Verlag

Seitenzahl: 288

Erscheinungsdatum: 10. August 2020

Preis: 20 € (Hardcover mit Schutzumschlag)

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