Dieses Buch hatte ich für den Göttinger Zwei Seiten Lesekreis zum Thema „Dunkelheit – Über lange Nächte und schwarze Phasen“ vorgeschlagen, weil ich einerseits fand, dass es inhaltlich perfekt dazu passt, aber andererseits auch große Angst davor hatte, es allein zu lesen, weil es eine meiner größten Ängste thematisiert.
Klappentext
Livia hat liebevolle Eltern, eine beste Freundin, und sie rennt schneller als der Wind: Sie ist die Schnellste. Eines Tages erfährt sie, dass ihr Leben bald von Dunkelheit umgeben sein wird. Bei Livia wird eine Augenkrankheit diagnostiziert, die zum Verlust des Sehvermögens führt. Sie erfährt davon in einem Alter, in dem sie nur so sein will wie die anderen, Sportwettkämpfe gewinnen, auf Partys gehen, gesehen werden.
Meine Meinung
Die Lektüre hat mich wirklich sehr bewegt. Das Thema geht unter die Haut, und zugleich eröffnet mir Greta Olivo mit diesem Buch eine völlig neue Perspektive – denn dazu habe ich bisher noch nichts gelesen. Damit greift „Die Nacht der Schildkröten“ ein wichtiges Thema auf, das auch im Hinblick auf Inklusion von großer Bedeutung ist. Besonders gut hat mir gefallen, wie die Autorin Livias sportliches Hobby mit ihrer zunehmenden Erblindung verbindet und zeigt, welche Rolle Bewegung und Körperwahrnehmung für sie spielen.
Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, einfühlsam und bildhaft. Durch den Ich-Stil schlüpft man direkt in Livias Gedankenwelt und erlebt ihre Gefühle hautnah mit. Der berichtende Erzählstil ist vielleicht nicht für jede*n etwas, aber er passt gut zu Livias Stimme und verleiht der Geschichte eine besondere Authentizität. Besonders eindrücklich fand ich die Szenen, in denen Livia in der Blindenschule lernt, sich über Geräusche zu orientieren – diese Beschreibungen bleiben wirklich im Kopf.
Die Geschichte ist dicht erzählt, ohne Längen, und die Figuren sind überzeugend gezeichnet. Livia wirkt sehr authentisch, gerade weil sie oft unbedacht handelt – etwa, wenn sie mit den Kontaktlinsen ihre Augengesundheit riskiert. Trotz ihrer schweren Erkrankung kämpft sie nämlich mit den typischen Teenieproblemen: Liebe, Aussehen, dazugehören, nicht anders sein wollen.
Ihre Verzweiflung, als sie erkennt, dass sie ihren Zustand nicht mehr ändern kann, hat mich sehr berührt. Ebenso nachvollziehbar sind ihre Wut, ihr Kampfgeist und schließlich das allmähliche Akzeptieren.
Allerdings hätte man mehr aus den zwischenmenschlichen Beziehungen machen können.
Unklar blieb für mich bis zum Schluss der Titel – weder auf Deutsch noch auf Italienisch, denn Schildkröten kommen für gerade mal zwei Seiten im Roman vor und spielen sonst keinerlei weitere Rolle.
Fazit
Greta Olivo gelingt es, ein schweres Thema auf sensible und zugleich leicht zugängliche Weise zu erzählen. „Die Nacht der Schildkröten“ ist ein eindrücklicher Roman, der lange nachhallt und sich hervorragend für Lesekreise eignet.
Kostenloses Rezensionsexemplar
Ich habe dieses Buch als kostenloses Rezensionsexemplar vom Rowohlt-Verlag zur Verfügung gestellt bekommen. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.
Bibliografie

Titel: Die Nacht der Schildkröten
Autorin: Greta Olivo
Übersetzung: Verena von Koskull
Verlag & Copyright: Rowohlt
Seitenzahl: 240
Erscheinungnstermin: 17.09.2024
Preis: 23 € (Hardcover)