Ein Buch von Marc Elsberg ist für mich eigentlich immer ein Garant für einen gut recherchierten, spannenden Wissenschaftsthriller, der mich zumeist mit viel Stoff zum Nachdenken zurücklässt.
Und da ich selbst einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund habe, fand ich sein gewähltes Thema für „Gier“ natürlich ganz besonders spannend.
Wenngleich mich das Buch nicht wirklich enttäuscht hat, so genial wie „Blackout“ war es nicht. Damit konnten aber auch „Zero“ und „Helix“ nicht mithalten.
Klappentext
»Stoppt die Gier!«, rufen sie und »Mehr Gerechtigkeit!«. Auf der ganzen Welt sind die Menschen in Aufruhr. Bei einem Sondergipfel in Berlin will man Lösungen finden.
Der renommierte Nobelpreisträger Herbert Thompson soll eine Rede halten, die die Welt verändern könnte, denn angeblich hat er die Formel gefunden, mit der Wohlstand für alle möglich ist. Doch dazu wird er nicht mehr kommen. Bei einem Autounfall sterben Thompson und sein Assistent – aber es gibt einen Zeugen, der weiß, dass es Mord war, und der hineingezogen wird in ein gefährliches Spiel. Jan Wutte will wissen, was hinter der Formel steckt, aber die Mörder sind ihm dicht auf den Fersen …
Kurz gesagt: Die Geschichte ist ein ständiger Mix aus Verfolgungsjagd und ökonomischer Vorlesung.
Dass die Polizisten, die den Unfall aufnehmen, gleich den Protagonisten als Täter in Verdacht haben, erschien mir etwas unrealistisch (vor allem da er als weiß und männlich geschildert wurde…). Aber ansonsten wäre er natürlich auch nicht geflohen und hätte vermutlich, das was er weiß, einfach nur zu Protokoll gegeben…
Charaktere
Die Ausgestaltung der Charaktere dient der Lesbarkeit und Vereinfachung der Thematik. Dabei wird die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt.
- Der Protagonist Jan Wutte, ein „einfacher“ Krankenpfleger, dient als Vermittlungshilfe komplexer Zusammenhänge. Er stellt die Fragen, die dem Leser durch den Kopf gehen. Beantwortet werden sie von der zweiten Hauptfigur, dem Millionär Fitzroy Peel, ein hochintelligenter Analyst mit Faible für ökonomische Konzepte und Mathematik.
- Unterstützt werden sie von einer Gruppe ökonomischer Widerstandskämpfer, gebildet und gut vernetzt – also alles andere als ein „chaotischer Demo-Haufen“.
- Ihnen gegenüber stehen zum einen zwei Söldner, angeheuert von dem großen Unbekannten, und zum anderen zwei Polizisten; die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Sprachstil
Marc Elsberg schreibt spannend und temporeich. Manchmal fühlte ich mich an Frank Schätzing oder Dan Brown erinnert, bei Ersterem wären jedoch vermutlich mehr Leute gestorben und Letzterer hätte die Verfolgungsjagd wohl mit einigen touristischen Highlights versehen.
Das Buch eignet sich daher leider nicht für meine literarische Weltreise, da der Schauplatz Berlin beim Lesen wenig präsent erscheint.
Ich muss gestehen, dass mir der Sprachstil manchmal etwas zu salopp war, wenn es um umgangssprachliche Dialoge ging.
Thematik
Grundgedanke des Buches ist der kürzlich erfolgte mathematische Beweis, dass Kooperation Wachstum und Wohlstand mehr fördert als Nicht-Kooperation.
Um die Mathematik dahinter zu verdeutlichen, bedient sich der Autor der sog. Bauernfabel.
Was mir dabei gut gefallen hat, sind die Graphiken zur Veranschaulichung der Theorie. Das hätte ich jetzt in einem Thriller nicht unbedingt erwartet.
Doch leider wird die gezeichnete Bedrohung nicht so deutlich, wie bei Blackout, Zero oder Helix. Das Buch hat einfach nicht den gleichen schauderhaften Nachhall wie seine Vorgänger.
Logik
Doch wenn diese Theorie sämtlichen Individuen mehr Wohlstand verspricht und sogar mathematisch bewiesen ist, wieso wird sie dann nicht angewendet? Die einzige Antwort, die mir dazu einleuchtet, ist gleichzeitig größter Mangel der Geschichte: Sie berücksichtigt nicht das Streben nach Macht und den Wunsch, anderen überlegen zu sein. Daher hätte die Präsentation der Ergebnisse auch nicht den Effekt gehabt, den man durch die Ermordung zu verhindern suchte.
Ich habe mal von einer Umfrage gelesen, wofür sich Menschen wohl entscheiden würden:
A) Sie bekämen eine einmalige Zahlung in Höhe von bspw. 10.000 Euro, während alle anderen nur die Hälfte erhalten.
B) Sie bekämen eine einmalige Zahlung in Höhe von bspw. 100.000 Euro, während alle anderen das Eineinhalbfache erhalten.
Obwohl 100.000 Euro deutlich über 10.000 Euro liegen, entschied sich die Mehrheit für den kleineren Betrag, da sie in dem Fall mehr als die anderen bekommen. Der Mensch handelt einfach nicht wie das Ideal des Homo Oeconomicus.
Außerdem frage ich mich, ob die Theorie die Diversität der menschlichen Erdbevölkerung, was Status und Entwicklungsstand des Heimatlandes anbelangt, ausreichend berücksichtigt.
Cover
Das Cover passt für mich nicht wirklich zum Inhalt, das Containerschiff lässt zwar Handel und Export vermuten, nicht aber eine Debatte über Kommunismus versus Kapitalismus.
Fazit
Ich hoffe, die Rezension kommt nicht zu negativ rüber, denn mir hat das Buch wirklich gut gefallen. Da die Thematik jedoch ausgesprochen komplex und voller Fachbegriffe ist, die nicht alle (ausreichend) erklärt werden, wäre eine Affinität zu Ökonomie und Mathematik sowie ein gewisses wirtschaftswissenschaftliches Grundverständnis sicher von Vorteil.
„Gier“ bietet ein wissenschaftliches Rätsel, Konzepte und Theorien aus Wirtschaft und Mathematik, eine Verfolgungsjagd durch Berlin – dazu Intrigen, Macht und Politik sowie unfähige Polizisten und gut organisierte Rebellen.
Hört sich doch spannend an oder?
Kostenloses Rezensionsexemplar
Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Bloggerportal kostenlos zur Verfügung gestellt. Dies beeinträchtigt in keiner Weise meine Bewertung.
Infos
Titel: Gier – Wie weit würdest Du gehen?
Autor: Marc Elsberg
Verlag und Copyright: Blanvalet
Seitenzahl: 448
Erscheinungsdatum: 25. Februar 2019
Preis: 24 € (gebunden)