Die Buchbinderin von Oxford von Pip Williams

Ein Buch über Bücher. Über die Herstellung von Büchern. Im ersten Weltkrieg. Wo Frauen sich zu Kriegskrankenschwestern ausbilden ließen und die Arbeit der Männer übernahmen, die in den Krieg zogen. Die sie sie sonst nie hätten machen dürfen. Einfach nur, weil sie Frauen waren.

Das klingt doch nach einer Wahnsinnsgeschichte oder? Außerdem habe ich schon „Die Sammlerin der verlorenen Wörter“ von der Autorin gern gelesen.

Klappentext

England, 1914: Als die Männer in den Krieg ziehen, halten die Frauen die Nation am Laufen. Zwei von ihnen sind die Zwillingsschwestern Peggy und Maude, die in der Buchbinderei der Oxford University Press im Arbeiterviertel Jericho arbeiten und auf einem Hausboot voller Bücher leben. Peggy träumt davon, eines Tages an der Universität zu studieren. Doch ihr wird gesagt: „Dein Job ist es, die Bücher zu binden und nicht zu lesen!“. Maude ist ein ganz besonderes, verletzliches Mädchen, und Peggy fühlt sich nach dem Tod ihrer Mutter für ihre Schwester verantwortlich. Mit der Ankunft von belgischen Flüchtlingen in Oxford und der Unterstützung neuer Freunde rücken Peggys Träume ganz unerwartet in greifbare Nähe. Und sie beschließt, eine andere Zukunft für sich zu erschaffen – eine, in der sie nicht nur ihre Hände, sondern auch ihren Verstand einsetzen kann.

Meine Meinung

Es ist wieder ein sehr ruhiger, aber dennoch unterhaltsamer und informativer Roman geworden, der vor allem durch die Figuren, das Setting und die Atmosphäre besticht.

Lest unbedingt auch wieder die Anmerkung von Pip Williams am Ende, denn dort berichtet sie nicht nur, wie sie zu der Idee dieses Romans gekommen ist, sie gibt auch noch ein wenig Geschichtsunterricht und stellt uns die literarischen Werke vor, die für das Buch von Bedeutung sind.

Peggy und Maude mochte ich von der ersten Seite an. Der Protagonistin hat die Autorin eine tiefe Liebe zur Literatur mitgegeben, die deutlich spürbar ist. Über Maudes Besonderheit erfahren wir nichts Konkretes; eigentlich nur, dass sie ausschließlich in Wörtern bzw. Redewendungen spricht, die sie schon einmal bei jemand anderem gehört hat. Peggy scheint jedenfalls zu glauben, dass man sie nicht für längere Zeit unbeaufsichtigt lassen darf. Daher habe ich zunächst das Gefühl, dass Maude allein nicht zurechtkommt, doch nach und nach wird klar, dass es eher Peggy ist, die sich nicht traut, ihre Schwester loszulassen und sich stattdessen lieber hinter der gefühlten Verantwortung für Maude versteckt. Ihre Beziehung ist stark und gleichzeitig kompliziert, was die Autorin sehr gut transportiert. Ich habe die beiden gern auf dem Weg in die Unabhängigkeit begleitet und zugesehen, wie sie beide neue Freund*innen gewinnen.

Während das traditionelle Handwerk des Buchbindens sehr präzise beschrieben wird (ich hatte beim Lesen wirklich das Gefühl, ich würde Peggy und Maude beim Falzen über die Schulter schauen und musste erst einmal nachschauen, was Kollationieren bedeutet…), baut Pip Williams den ersten Weltkrieg sowie die damalige Frauenbewegung eher über Situationen mit ein, in denen sich ihre Figuren wiederfinden. Durch die privilegierte Studentin Gwen, mit der sich Peggy anfreundet, werden gesellschaftliche Unterschiede angesprochen. Über Peggys und Maudes mütterliche Freundin Tilda, die sich in London zur Kriegskrankenschwester ausbilden lässt, bekommen wir die bedrückende Stimmung in den Lazaretten mit. In ihren Briefen schildert sie ihre Eindrücke von der Front. Die Folgen des Krieges erfahren wir durch den verwundeten belgischen Soldaten Bastian und durch Lotte, einem Kriegsflüchtling, ebenfalls aus Belgien.

Zwischen Peggy und Bastian entwickelt sich zwar eine zarte Liebesgeschichte, doch im Wesentlichen geht es um sie und Maude und damit um zwei Zwillingsschwestern, die nur noch einander haben.

Dabei zeichnet Pip Williams so lebensechte Charaktere, dass ich fast vergesse, dass ihrer Fantasie entsprungen sind. Allerdings lässt sie ihre fiktionale Geschichte an realen Schauplätzen spielen. So gibt es die Oxford University Press, aber eben auch das Somerville College. Und es gelingt ihr unglaublich gut, die Atmosphäre der Buchbinderei, des Hausbootes oder Frauencolleges einzufangen.

Auch wenn „Die Buchbinderin von Oxford“ keine direkte Fortsetzung ihres Debütromans ist, tauchen Schauplätze, Figuren und das Buch der verlorenen Wörter immer mal wieder auf. So etwas mag ich ja sehr gern, doch in diesem Fall hat die Autorin einigen dieser liebgewonnen Charaktere Schicksale auferlegt, die mir „Das Buch der verlorenen Wörter“ im Nachgang etwas kaputt machen. Vor allem war es für die Geschichte absolut unnötig.

Fazit

Pip Williams hat mit der Buchbinderin von Oxford einen wunderbaren Roman geschaffen, der die Schrecken des ersten Weltkriegs mit der Chance auf Emanzipation verbindet und in dem Bücher und die Möglichkeit auf Bildung eine ganz große Rolle spielen.

Kostenloses Rezensionsexemplar

Ich habe dieses Buch als kostenloses Rezensionsexemplar vom Bloggerportal zur Verfügung gestellt bekommen. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.

Bibliografie

Titel: Die Buchbinderin von Oxford
Autorin: Pip Williams
Verlag & Copyright: Heyne
Übersetzung: Christiane Burkhardt
Seitenzahl: 512
Erscheinungsdatum: 15. November 2023
Preis: 22 € (Hardcover)

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