Schneetänzer von Antje Babendererde

Ich glaube, dieses Jugendbuch habe ich bei den BookChattern von Hugendubel entdeckt. Moritz hat es so begeistert angepriesen und außerdem habe ich mich sofort in das Cover verliebt. Also dick einpacken und auf geht’s in den Norden Kanadas nach Moosonee…

Klappentext

Voller Wut und Enttäuschung über seine Mutter bricht Jacob in den Norden Kanadas auf. In der Wildnis aus Eis und Schnee will er seinen Vater finden, über den seine Mutter ihn sein Leben lang belogen hat. Als er von einem Bären angegriffen und lebensgefährlich verletzt wird, kommt beinahe jede Hilfe für Jacob zu spät.

Doch der Junge mit dem wolfherzen hat Glück: Inmitten der wilden, ungezähmten Natur, wo Himmel und Horizont zu unendlichem Weiß verschmelzen, trifft er Kimi, die wie er an einem Schicksalsschlag zu zerbrechen droht. Aber kann aus Schmerz jemals Liebe werden?

Charaktere

Ich habe selten so authentisch gezeichnete Figuren durch ihre Geschichte begleitet. In allen spiegeln sich die Gespräche wieder, die die Autorin mit der indigenen Bevölkerung Moosonees geführt hat. Die Geschichte wird aus den Perspektiven der beiden Hauptcharaktere Jacob und Kimi erzählt. Einmal in Ich-Form und einmal durch einen Erzähler. Nebencharaktere treten wenig in Erscheinung, dennoch profitiert die Handlung sehr davon, dass auch diese bis ins Detail ausgearbeitet sind.

Jacob besticht durch seine „Normalität“. Er ist weder Mädchenschwarm noch einer von den bösen Jungs: er ist einfach ein 18jähriger mit Stärken und Schwächen kurz vor den Abiturprüfungen. Aber in einer Welt voller Extreme macht ihn gerade das für die weibliche Hauptdarstellerin Kimi zu etwas ganz besonderem. Umgekehrt kann ich Jacobs Faszination für das Mädchen, das Tiere tötet und gleichzeitig mehr im Einklang mit ihnen und der Natur lebt, als er es je getan hat, voll und ganz nachempfinden.

Seine Reise nach Moosonee ist gleichzeitig eine Suche nach sich selbst, die seine Ideale auf eine harte Probe stellt. Als überzeugter Vegetarier und typischer „digital native“ erfährt er am eigenen Leib, was es heißt, in der Wildnis zu überleben. Einfühlsam beschreibt die Autorin seine innere Zerrissenheit, zwischen zwei Welten festzustecken und zu keiner ganz gehören. Doch muss er sich für eine entscheiden?

Was mir diesbezüglich auch noch gut gefallen hat, ist die Verbindung, die zwischen Jacobs bisheriger Welt, in der er Schlagzeug in einer Band spielt und dem Naturvolk seines Vaters, deren Rituale durch Trommeln begleitet werden, hergestellt wird.

Dazu passt übrigens auch, wie toll die Autorin den Titel „Schneetänzer“ in die Geschichte eingebracht hat!

Die weibliche Hauptfigur Kimi kämpft mit den Geistern der Vergangenheit. Ihr starker und zugleich sensibler Charakter wird von der Autorin ganz wunderbar eingefangen. Dabei war ich insbesondere von Kimis Ehrlichkeit sich selbst gegenüber beeindruckt.

Kulturschock

Ich fand es wirklich spannend zu lesen, was es bedeuten muss, in der heutigen Zeit einem Naturvolk anzugehören und nach „alten Regeln“ zu leben. Dabei erschien mir der beschriebene Alltag der Cree Indianer wie aus einer fernen Welt und ich bin nicht sicher, ob ich auch nur einen Tag in ihr überleben könnte.

Holz hacken, das würde ich vielleicht noch hinbekommen. Aber allein wegen der „Außen-WC’s“ mache ich ja heute schon nur eine literarische Fernreise. Beim Jagen, Häuten und Ausnehmen von Tieren wäre jedoch definitiv Schluss. Das sagt zumindest mein mit leckerem Abendessen gefüllter Bauch in diesem Moment und auch nur in der Theorie. Bei jeder beschriebenen Mahlzeit kann man regelrecht spüren, wie Jacob mit sich ringt, Fleisch zu essen, um genügend Energie gegen die Kälte aufzunehmen.

Literarische Weltreise

Dieses Buch sollte mich in die kanadische Wildnis versetzen, was die Autorin durch ihre atmosphärische Schreibweise zu 100 Prozent geschafft hat. Kälte, Schnee und Eis waren fast körperlich spürbar, sodass es auch eine willkommene Abkühlung von der Hitze der vergangenen Woche war.

Die in die Erzählung eingewebten Cree-Begriffe schafften eine Atmosphäre, die mich tief in Geschichte und Kultur eintauchen ließen. Ich würde nur zu gern wissen, wie man sie korrekt ausspricht; vielleicht wäre eine Lautschrift dahinter eine nette Ergänzung.

Erstklassig recherchiert

Alles in allem merkt man, dass die Autorin nicht nur gut recherchiert hat, sondern vor Ort war und mit den Menschen dort gesprochen hat.

Mit dem blauen Engel ausgezeichnet

Was dieses Buch auch ökologisch zu etwas besonderem macht, ist seine ressourcenschonende Herstellung. Es wurde überwiegend aus recyceltem Papier hergestellt und macht trotzdem einen sehr hochwertigen Eindruck. Außerdem ist es ein echter Handschmeichler. Oh, und ihr müsst unbedingt in die Seiten reinschnüffeln – so was von gut!

Fazit

Antje Babendererde hat mit dieser vielschichtigen und facettenreichen Geschichte den perfekten Coming of Age Roman geschrieben, der für jedes Geschlecht und Alter geeignet ist.

Für mich hatte dieses Buch einfach alles: Liebe, Abenteuer, wilde Tiere, Schamanen und Naturgeister, alte indianische Zeremonien und Gebräuche sowie ein düsteres Geheimnis.

Das war definitiv nicht das letzte Buch, das ich von der Autorin gelesen habe.

Infos

Titel: Schneetänzer

Autorin: Antje Babendererde

Verlag und Copyright: Arena

Seitenzahl: 392

Erscheinungsdatum: 23. September 2019

Preis: 17 € (gebunden)

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