Das war die schönste Zeit von Jane Sanderson

Hach, der Klappentext klang so vielversprechend. Leider passten das Buch und ich nur so semi-gut zueinander und das hatte vor allem drei Gründe:

  • Erstens habe ich einen schönen Liebesroman erwartet, in dem die große Jugendliebe eine zweite Chance erhält. Stattdessen erwartet den Leser eine ziemlich heftige Hintergrundgeschichte.
  • Zweitens spielten Untreue und Betrug eine große Rolle und zwar seitens der Protagonisten. Damit konnte ich so gar nicht umgehen.
  • Drittens war Musik bzw. konkret zahlreiche Songtitel und –texte ein großer Bestandteil der Handlung, die ich leider nicht kannte.

Aber worum geht’s überhaupt?

Die Handlung springt zwischen Ende der Siebziger und 2012/13 hin und her, was vom Aufbau her ganz gut gefallen hat.

Alison und Daniel verbindet die Liebe zur Musik und so verlieben sie sich ineinander. Doch familiär kommen beide aus völlig verschiedenen Welten: Während Daniel in einer liebevollen Familie aufwächst, ist Alisons Mutter Alkoholikerin, um die sie und ihr Bruder sich kümmern und zudem noch ihren schlagtüchtigen Freund ertragen müssen. Alison hält Daniel strikt von ihren Problemen fern und doch zerstören sie eines Tages alles.

Gut 30 Jahre später…

Dan ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt in Edinburgh. Ali hat es ans andere Ende der Welt nach Adelaide, Australien verschlagen. Auch sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Musik führt beide wieder zusammen, doch werden sie ihre jetzigen Leben aufgeben, um zu herauszufinden, was hätte sein können?

Nichts für weiche Herzen (ACHTUNG: kleiner Spoiler)

Alisons traurige Kindheit wurde leider in einer Weise beschrieben, die mich die entsprechenden Abschnitte kaum ertragen ließen. Dabei lese ich durchaus gern bewegende Geschichten, auch wenn ich um Fassung ringen oder auch mal eine Träne verdrücken muss. Aber Alisons Jugend wirkte wie ein Realreport über Alkoholmissbrauch, Homophobie, Suizid und Vergewaltigung ohne stilistische Abmilderung oder zumindest ausführlicher Auseinandersetzung. Und so was muss man eben mögen…

Charaktere

Was mir gut gefiel war die Idee, die Namen entsprechend der zwei Zeitebenen anzupassen: Zusammen sind es Alison & Daniel; getrennt Ali und Dan.

Als Jugendliche waren mir beide durchaus sympathisch, als Erwachsene leider nicht. Denn sie sind feige, egoistisch und verletzen alle, die ihnen nahe stehen. Natürlich ist das aufgebaute Beziehungsgeflecht komplex und die Protagonisten wirken durch diese Charakterschwächen auch wirklich authentisch. Gleichzeitig macht es die Geschichte so unendlich traurig.

Ihr seht, ich ergreife Partei für die Betrogenen. Dan’s Frau Katelin und Ali’s Mann Michael taten mir wirklich leid. Weder Dan noch Ali haben sie so lieben können, wie sie es verdient haben. Vielleicht wollten sie es sogar wirklich, doch anscheinend musste es scheitern.

Diese Konflikte werden nachfühlbar transportiert und die Stimmung der zwischenmenschlichen Beziehungen ist deutlich spürbar.

Auch sämtliche Nebencharaktere wirken authentisch, wenngleich sie nicht detaillierter ausgearbeitet wurden, als für die Handlung erforderlich.

Weniger nachvollziehbar erschien mir jedoch, dass das Band zwischen Alison und Daniel, nachdem es vor über 30 Jahren zerriss, sich plötzlich wie auf wundersame Weise wieder zusammenfügt und sogar stärker ist als je zuvor.

Seid ihr Musiknerds (kurzer Test: von wem ist „Open Up Your Door“?) oder Jahrgang 1960?

Dann wird euch zumindest diese Besonderheit des Romans sehr gefallen, denn Musik legt sich über die gesamte Handlung und nimmt eine Art Meta-Hauptrolle ein. Ich höre auch gern Songs, bei „Summer of `69“ muss ich sogar mitsingen, aber ich kann nicht behaupten, dass ich ein Musikkenner bin. Und das ist wirklich sehr schade, denn ich wüsste diesen wirklich besonderen Bestandteil des Buches gern angemessen zu würdigen. Würde es um Filme gehen und die Protagonisten würden sich daraus Zitate hin- und herschicken, bspw. etwas in der Art von „Wenn man begriffen hat, dass man den Rest des Lebens zusammen verbringen will, dann will man, dass der Rest des Lebens so schnell wie möglich beginnt.“ (Harry & Sally) – Ich wäre hin und weg!

Sprachstil

Das Buch lässt sich zwar durchaus flüssig lesen, dennoch habe ich sehr lange dafür gebraucht.

Und ihr wisst, ich liebe dicke Bücher. Aber bei 500 Seiten erwarte ich einfach mehr.

Literarische Weltreise

Obwohl Alis Geschichte in Australien spielt, wurde ich atmosphärisch nicht mit nach Down Under genommen. Sie weckt keinerlei Interesse an dem Land, vielleicht ist das aber auch genauso gewollt. Für meine literarische Weltreise ist das Buch damit leider nicht geeignet.

Fazit

Die Idee an sich hat viel Potenzial, nur hat mir die Umsetzung einfach nicht gefallen:

  • Die Liebesgeschichte, die vermutlich romantisch gemeint war, bei mir aber nicht so ankam.
  • Stattdessen einige ziemlich heftige Thematiken, die leider unbehandelt bleiben
  • sowie unsympathische Protagonisten.

Wer mit diesen Punkten kein Problem hat und zudem Musikexperte ist (oder Jahrgang 1960), mag in dem Buch jedoch eine ganz besondere Liebesgeschichte finden.

Kostenloses Rezensionsexemplar

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Bloggerportal zur Verfügung gestellt. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.

Infos

Titel: Das war die schönste Zeit

Autorin: Jane Sanderson

Übersetzung: Jörn Ingwersen

Verlag und Copyright: Goldmann

Seitenzahl: 512

Erscheinungsdatum: 27. Juli 2020

Preis: 15 € (Klappenbroschur)

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