Agatha Christie – Die Autobiographie von Agatha Christie

Neben Astrid Lindgren hat mich wohl Agatha Christie als Leserin am meisten geprägt. Sie führte mich ein, in das Genre der Sherlock Holmes-artigen Kriminalromane, die ich bis heute über alles liebe. Nachdem ich die ausgezeichnete Dokumentation über die Queen of Crime auf Arte gesehen habe und erfuhr, dass es eine Autobiografie von ihr gibt, musste ich sie natürlich lesen – allein schon, um mir für die #readchristie2022 Challenge einen kleinen Vorteil zu verschaffen. So hoffte ich zumindest…

Klappentext

Jeder kennt die skurrile, aber stets freundliche Miss Marple und den exzentrisch-pedantischen Poirot, jeder kennt den Namen ihrer Schöpferin Agatha Christie, doch wer war der Mensch hinter der Schreibmaschine? Zu Lebzeiten öffentlichkeitsscheu, gab Agatha Christie keine Interviews und verriet nichts über ihr Privatleben. Erst posthum brach die Queen of Crime ihr Schweigen. Ein Jahr nach ihrem Tod wurde ihre Autobiographie veröffentlicht, in der sie von ihrer Kindheit, zwei Ehen und zwei Weltkriegen erzählte, von ihrem Leben als Autorin und von den archäologischen Expeditionen ihres zweiten Ehemannes Max Mallowan. Eine Autobiographie, die ebenso spannend und lebendig erzählt ist wie ihre Romane.

Meine Meinung

Eins vorweg: Auch wenn die folgende Rezension vielleicht etwas kritisch rüber kommen mag, bereue ich es keineswegs, dieses Buch gelesen zu haben. Allerdings scheine ich den Klappentext vollkommen fehlinterpretiert zu haben… Natürlich erfahren wir implizit etwas über Agatha Christies Werdegang als Autorin, aber ich hatte gehofft, die Biografie setzt einen wirklichen Fokus auf ihr Leben als Schriftstellerin und liefert reihenweise Hintergrundinformationen zu ihren Büchern.

Bspw. war ich sehr gespannt darauf, etwas über Agatha Christies Arbeit in einer Apotheke während des Krieges zu erfahren. Als Autorin greift sie ja später auf dieses Wissen immer wieder als Mordmethode zurück. Ich erwartete also, dass diese Erfahrung ausführlich geschildert und insbesondere mit Verweisen auf die entsprechenden Kriminalgeschichten versehen wird. Doch leider erklärt sie uns nur, was Kurare ist… Das kam mir also eindeutig zu kurz.

Außerdem bin ich mir sicher, dass alle, die eine Autobiografie von Agatha Christie in Händen halten, wohl am meisten darauf gespannt sind, wie die Queen of Crime ihr Verschwinden nach dem Tod ihrer Mutter und dem Verlassen werden durch Archie, erklärt. Doch leider findet dieses Ereignis in keiner Weise Erwähnung. Wer davon gar noch nie gehört hat, wird die späteren Bemerkungen über die „lästige“ Presse nicht verstehen. Als Begründung kann ich nur den Hinweis finden, dass sie mehrfach betont, man will sich an schlechtes nicht erinnern…

Stattdessen befassen sich die ersten 200 Seiten mit ihrer Kindheit und Jugend, was zwar einen interessanten Einblick in die damalige Zeit darstellt und sicher auch Einfluss auf ihre spätere Berufswahl hatte, aber in meinen Augen viel zu ausführlich geraten ist. Eine mögliche Erklärung wäre, dass sie sich die 600 Seiten selbst gar nicht noch einmal durchgelesen hat. Eine weitere, dass sie dieses Buch erst im Alter von 75 Jahren schrieb. So betont sie immer wieder, dass sie sich kaum mehr an die Umstände, unter denen ihre Kriminalromane entstanden sind oder auch an das Schreiben selbst, erinnern kann. Das finde ich besonders schade, denn so finden nur eine Handvoll ihrer Werke Erwähnung.

Die Autobiografie ist also weniger in Bezug auf Karriere oder Bücher Agatha Christies interessant als vielmehr im Hinblick auf die damaligen Begebenheiten.

Wenn dann aber doch mal der Bezug zu ihren Kriminalromanen hergestellt wird, fragte ich mich oft, ob es so klug ist, die ungeschminkte Wahrheit direkt aus der Feder meines Idols zu erfahren. Bspw. betont sie immer wieder, dass „Der blaue Express“ ihr unbefriedigendster Roman sei, weil sie ihn unter Zeitdruck fertigstellen musste, um Geld zu verdienen. Ich hingegen fand ihn wirklich gelungen. Ebenso schmerzhaft war für mich ihre Ansicht, Liebesgeschichten hätten in Kriminalromanen nichts zu suchen. Dabei bedient sie sich des Öfteren gekonnt diesen Elements und ich habe es immer geliebt.

Auf den letzten 150 Seiten kam ich dann doch noch auf meine Kosten, denn der Fokus wechselte endlich auf ihre Romane und offenbarte auch Hintergründe dazu.

Der Schreibstil…

…ist natürlich ganz Agatha Christie: flüssig und schön zu lesen. Allerdings war ich auf der Zeitlinie immer etwas verloren, denn es wird nie wirklich deutlich, wie alt sie in den einzelnen Kapiteln ist. Hinweise finden sich nur in den Überschriften oder den historischen Gegebenheiten.

Die Erzählung, wie es zu ihrer ersten Ehe kam, hätte keine Liebesromanautorin besser beschreiben können: Agatha war bereits mit einem gewissen Reggie verlobt, der jedoch um einige Jahre älter war und ihr die Gelegenheit geben wollte, sich anderweitig umzusehen, um keine vorschnelle Entscheidung bzgl. einer Heirat zu treffen, die sie irgendwann bereuen könnte. Stattdessen bereute er später wohl selbst seinen Entschluss, Agatha nicht, wie von ihr durchaus gewollt, vom Fleck weg zu heiraten – etwas das Archie sofort in die Tat umgesetzte und den Nebenbuhler damit ausschaltete.

Eigentlich liest sich die gesamte Jugend Agatha Christies wie ein Jane Austen Roman.

Ihr ungewöhnlich schriftstellerisches Talent zeigt sich aber vor allem an der Darstellung ihres ersten Mannes Archie: Als sie sich kennenlernten, ist die Figur den Leser:innen noch sympathisch, was spätestens beim Verlassen von Agatha in vollständige Abneigung umschlägt – gleichzeitig ist man beeindruckt, wie wohlwollend Agatha Christie von ihm spricht, während ich ihm am liebsten den Hals umdrehen würde.

Fazit:

Ein Statement auf der Verlagsseite trifft es meiner Ansicht nach sehr treffend: In erster Linie ist diese Autobiografie eine Chronik Englands und des 20. Jahrhunderts. Die Verbindung zu ihren Büchern findet sich also primär in dem gesellschaftlichen Setting, in denen sie angelegt sind.

Meine Empfehlung lautet daher: wer mehr über ihre Kriminalromane und Protagonist:innen erfahren möchte, deren Hintergründe und Entstehungsgeschichten, sollte sich die Arte-Dokumentation ansehen. Und wer mehr über die Frau Agatha Christie (also hinter der Queen of Crime) erfahren möchte, sowie die Zeit, die sie durchlebte, liest die Autobiografie.

Aber jetzt kann ich es kaum erwarten, die Romanografie „Mrs. Christie“ von Marie Benedict zu lesen.

Bibliografie

Agatha Christie: Die Autobiographie
Autorin: Agatha Christie
Übersetzung: Hans Erik Hausner
Verlag und Copyright: Atlantik
Seitenzahl: 656
Erscheinungstermin: 06. Mai 2019
Preis: €16,00 (Taschenbuch)

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