Hypothese: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Liebesroman mit buntem Cover und rosa Farbschnitt mein bisheriges Jahreshighlight in Form eines feministischen Gesellschaftsromans vom Thron stoßen könnte, ist verschwindend gering.
Klappentext
Biologie-Doktorandin Olive glaubt an Wissenschaft – nicht an etwas Unkontrollierbares wie die Liebe. Dank ihrer Freundin Anh sieht sie sich plötzlich gezwungen, eine Beziehung vorzutäuschen, und küsst in ihrer Not den erstbesten Mann, der ihr über den Weg läuft. Nicht nur, dass dieser Kuss eine Kette irrationaler Gefühle auslöst – der Geküsste entpuppt sich zudem als Adam Carlsen: größter Labortyrann von ganz Stanford. Schon bald droht nicht nur Olives wissenschaftliche Karriere über dem Bunsenbrenner geröstet zu werden, auch ihre Verwicklung mit Carlsen fühlt sich mehr nach oxidativer Reaktion als romantischer Reduktion an, und Olive muss dringend ihre Gefühle einer Analyse unterziehen …
Meine Meinung
Ali Hazelwood hatte mich schon bei der ersten Hypothese (damit wird jedes Kapitel eingeleitet) und man merkt sofort, dass die Autorin in dieser Welt zu Hause ist. Ich habe ein akademisches Setting noch nie so authentisch umgesetzt gefunden: Mit der ersten Zeile war ich wieder Doktorandin…
„Die theoretische Unwahrscheinlichkeit der Liebe“ ist eine der intelligentesten Liebesgeschichten, die ich je gelesen habe, denn die Autorin hinterlegt den Plot einer unterhaltsamen Fake to Lovers Beziehung mit vielen wichtigen Themen ohne überladen oder gewollt rüber zu kommen. Es geht um Machtmissbrauch, Konkurrenzdruck, Work-Life-Balance und sexuelle Unerfahrenheit. Außerdem lässt sie ganz natürlich das Thema Diversity einfließen.
Ich wünschte mir, ein solches Buch bereits vor oder während der Promotion gelesen zu haben, denn ich habe mich so verstanden gefühlt. Darüber hinaus war es das reinste emotionale Feuerwerk: Ich habe gelacht und geweint, geliebt und gehasst.
Der Sprachstil…
… ist fantastisch! Ich habe das Buch in einem Zug durchgesuchtet und konnte es wirklich nicht aus der Hand legen. Bei aller Ernsthaftigkeit der Themen schreibt Ali Hazelwood sehr humorvoll. Allein wie sie immer wieder Rom-Coms auf den Arm nimmt, hat die ganze Geschichte total aufgelockert.
Zwischendurch hatte ich manchmal etwas Angst, dass das dramaturgische Element zu fies wird und ich es nicht aushalten könnte, aber die Handlungsstränge hatten genau den richtigen Spannungsbogen.
Charaktere
Die Figuren sind sehr lebensecht und mich würde es nicht wundern, wenn ich Olive am Snackautomaten der biologischen Fakultät über den Weg laufen würde. Ich konnte mich mit ihr sofort identifizieren und in Adam habe ich mich auf die erste Zeile hin verliebt.
Von außen betrachtet, mag das Verhalten von Adam und Olive an der ein oder anderen Stelle vielleicht unrealistisch anmuten, doch wer schon mal etwas Zeit im wissenschaftlichen Umfeld verbracht hat, erkennt deren Authentizität.
Und die Art, wie die beiden auch Alltagsdinge mittels wissenschaftlicher Konzepte ausdrücken, machte die Dialoge so richtig nerdig-echt.
Resultat nach eingehender Lektüre
Auch Ereignisse mit geringer Wahrscheinlichkeit können eintreten.
Dieses Buch ist Empowerment pur. Daher empfehle ich es allen zukünftigen, jetzigen und ehemaligen Wissenschaftlerinnen. Cover, Titel, Farbschnitt und Klappentext mögen eine rosarote Lovestory versprechen, doch dahinter verbirgt sich ein feministischer Roman in der Welt der Wissenschaft.
Bibliografie
Titel: Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe
Autorin: Ali Hazelwood
Übersetzung: Anna Julia und Christine Strüh
Verlag und Copyright: Rütten & Loening
Seitenzahl: 443
Erscheinungstermin: 14. Februar 2022
Preis: 16,90€ (Klappenbroschur)
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