American Spy von Lauren Wilkinson

Um ehrlich zu sein, habe ich mir diesen Roman gekauft, weil er auf der Leseliste Barack Obama’s stand und sein Statement auf dem Umschlag wirklich vielversprechend klang: „Weit mehr als ein Spionagethriller“. Soviel sei jedoch schon mal gesagt: Es geht zwar um eine Spionin, als Thriller würde ich das Buch aber nicht bezeichnen. Dafür fehlt ihm der Nervenkitzel. Es gab keine einzige Stelle, an der ich das Buch nicht problemlos hätte unterbrechen und zur Seite legen können.

Selten fiel mir eine Rezension so schwer wie diese. Irgendwie fehlen mir einfach die passenden Worte:

  • Spannend? – Ist das Buch nicht wirklich.
  • Langweilig? – Kann ich aber auch nicht sagen.
  • Überraschend? – War es für mich nicht.
  • Interessant? – Hm, das trifft es irgendwie nicht.
  • Informativ? – Nein, das kann ich auch nicht behaupten.
  • Atmosphärisch? – Ebenfalls Fehlanzeige.
  • Romantisch? – Eher nicht.
  • Unterhaltsam? – Ist auch das falsche Wort.
  • Familiengeschichte? – Das trifft es wohl am ehesten.

Klappentext

Ein Geräusch. Der Schatten eines Mannes. Ein Schuss. Als Marie Mitchell eines Nachts in ihrem Haus von einem bewaffneten Mann angegriffen wird, weiß sie: Ihre Zeit als amerikanische Spionin lässt sie nicht los. Und ihr gefährlicher Einsatz damals in Burkina Faso ist noch lange nicht abgeschlossen.
1987: Der Kalte Krieg ist noch nicht vorbei. Marie Mitchell arbeitet als Geheimagentin beim FBI. Sie ist außerordentlich gut in ihrem Job, und sie ist die einzige schwarze Frau in einem Club weißer Männer. Statt endlich ins Feld geschickt zu werden, muss sie sich Tag für Tag mit Papierkram herumschlagen. Dann wird ihr plötzlich doch die Teilnahme an einer Geheimoperation angeboten. Sie soll Thomas Sankara ausspionieren, den charismatischen sozialistischen Präsidenten von Burkina Faso.
Was Marie nicht ahnt: Dieser Einsatz wird nicht nur alles ändern, was sie über Spione, die Liebe und ihr Land zu wissen glaubte, er wird sie auch direkt ins Fadenkreuz des Geheimdienstes führen. Lauren Wilkinson erzählt den Spionageroman neu: mutig, zeitgemäß und hochspannend. Dieses Gesicht des Kalten Krieges kennen Sie noch nicht.

Handlung

Erzählt wird die Geschichte der Afro-Amerikanerin Marie Mitchell, die aus Schuldbewusstsein gegenüber ihrer verstorbenen Schwester in den 80er Jahren zum FBI (und später augenscheinlich zur CIA) geht und trotz außergewöhnlicher Fähigkeiten im Innendienst „klein gehalten“ wird.

„Das Problem ist ja nicht nur, dass ich eine Frau bin“, erklärte ich. „Ich bin auch noch schwarz. Da steht’s schon mal zwei zu null gegen mich.“

Lauren Wilkinson: American Spy, S. 126

Doch dann scheint der perfekte Auftrag für sie zu kommen: Sie soll dabei helfen, den amtierenden kommunistischen Präsidenten von Burkina Faso zu stürzen, damit ihm ein pro-amerikanischer Kandidat, der für die Einführung eines Mehrparteiensystems ist, nachfolgen kann.

Die Methoden sind unüberraschend Geheimdiensttauglich. Vielleicht habe ich schon zu viele Spionagefilme gesehen, aber es schockiert mich weder, dass eine Agentin dazu benutzt wird, eine Zielperson in eine kompromittierende Situation zu bringen noch jemanden zu liquidieren.

Unsere Protagonistin fühlt sich jedoch von Person und Charisma Thomas Sankaras derart angezogen, dass sie Teil I des Jobs nicht ganz unfreiwillig ausführt, aber aus dem gleichen Grund vor Teil II zurückschreckt, den Dienst quittiert und untertaucht. Daher ist ihr ehemaliger Arbeitgeber nun an ihrer Liquidation interessiert.

Sprachstil

Das Ganze wird leider eher sachlich-nüchtern beschrieben. Grundsätzlich hatte ich mit dem Schreibstil von Lauren Wilkinson große Probleme. Der Roman ist als eine Art Tagebuch verfasst, welches die Protagonistin für den Fall ihres Todes an ihre Kinder richtet. Und das liest sich leider ausgesprochen schwergängig:

„Blut“, hast du, William, gesagt und auf mein Gesicht gezeigt. „Ist nicht schlimm“, beruhigte ich dich, „tut nicht weh.“

Lauren Wilkinson: American Spy, S. 13

Auch die Zeitsprünge zwischen Maries Kindheit in den 60ern, ihrer aktiven Zeit als Agentin sowie dem „Jetzt“ der 90er tragen nicht gerade zum Lesefluss bei. Insbesondere, da nur manchmal Jahreszahlen unter den durchnummerierten Kapiteln angegeben sind.

Charaktere

Mit keiner der Figuren bin ich so richtig warm geworden.

Ein guter Ansatz war die emotionale Zerrissenheit der Protagonistin gegenüber der Zielperson, die aber noch stärker hätte herausgearbeitet werden müssen.

Auch der einnehmende Charakter des Präsidenten Sankara bleibt auf der Ebene der Beschreibung.

Ich lese zwar die Abschnitte und Wörter über seine guten Taten, die im Kontrast zur damaligen amerikanischen Politik standen und weiter „(…) dass sie einem Sankaras Kommunismus schmackhaft machten.“ (Lauren Wilkinson: American Spy, S. 166) Aber ich lese diese Zeilen auch ohne dass sie jegliche Emotionen in mir hervorrufen.

Was sich mir ebenfalls nicht erschließt, sind die vielen Rückblicke in Maries Kindheit. Ich kann nur vermuten, dass hier die Beziehung zu ihrer Schwester herausgearbeitet werden sollte, wegen derer sie sich ja für eine Laufbahn als Agentin entscheidet.

Maries Eltern blieben für mich irgenddwie gesichtslos. Darüber hinaus war ich jedes Mal verwirrt, wenn ich von Ihnen als Großmutter bzw. -vater las.

Atmosphäre

Leider konnten mich weder Martinique noch Burkina Faso atmosphärisch erreichen. Die Landschaften und Örtlichkeiten werden im Protokollstil beschrieben und lassen keinerlei Stimmung aufkommen. Daher muss die Autorin wohl auch immer wieder darauf hinweisen, wie amerikanisch sich die Protagonistin fühlt, während sie die Lebensweise der Afrikaner*innen erlebt.

Fazit

Die Klappendeckel dieses Buches versprachen so einiges: einen spannenden Politthriller mit einer schwarzen Protagonistin, der das Beste von John Le Carré in sich vereint; angepriesen von keinem Geringeren als Barack Obama.

Ich interessiere mich sehr für Kultur und Politik in den USA, aber dieser Roman konnte mich leider wirklich nicht überzeugen.

Rassismus, Ungleichbehandlung von Frauen, amerikanische Außenpolitik, Arbeitsweise von Geheimdienstorganisationen – das alles sind interessante Themen für einen spannenden Thriller. Leider kratzt das Buch dabei nur an der Oberfläche.

Da jedoch Barack Obama das Buch in den höchsten Tönen lobt und ich mir vorstelle, dass er seine spärliche Freizeit nur wenigen wirklich guten Büchern widmet, ist die Geschichte vielleicht eher etwas für den amerikanischen Markt. In keinem Fall darf man einen Thriller erwarten, vielleicht eher eine Familiengeschichte mit leichtem Spionagebezug.

Infos

Titel: American Spy

Autorin: Lauren Wilkinson

Übersetzung: Jenny Merling, Antje Althans, Anne Emmert und Katrin Harlaß

Verlag und Copyright: Tropen (Klett-Cotta)

Seitenzahl: 368

Erscheinungsjahr: 2020

Preis: 16€ (broschiert)

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