Ophelia Scale von Lena Kiefer

Kennt ihr das, wenn sich ein Traum unglaublich real anfühlt – ihr aufwacht und meint, das muss doch echt gewesen sein? Genauso geht es mir mit dieser Geschichte…

Sie besteht aus folgenden drei Bänden, die ich hier nacheinander vorstelle. Es sind keine wirklichen Spoiler vorhanden, aber wer davor Angst hat, liest einfach nur den entsprechenden Teilabschnitt.

Band 1: Die Welt wird brennen
Band 2: Der Himmel wird beben
Band 3: Die Sterne werden fallen

Die Welt – ist unsere

…nur befinden wir uns bereits im Jahr 2134. Die technologische Entwicklung hat Dimensionen angenommen und uns künstliche Intelligenzen beschert, die manch eine*r schon heute vorausahnt. Doch dann kam urplötzlich die „Abkehr“, d.h. eine Rückentwicklung weg von KI. Warum Europas König Leopold diesen Schritt gegangen ist, wird den Lesenden anfangs ebenso wenig mitgeteilt wie dem Volk. Natürlich bildeten sich unter diesen Umständen Widerstandsgruppen, die für die Wiedereinführung der KI kämpfen, was in den Augen der Rebellen mit dem Tod des Herrschers gleichzusetzen ist.

Wie Leopold die Macht an sich reißen konnte, ist mir leider nicht verständlich geworden. Es hat irgendetwas mit den 10 weltweit systemrelevanten Firmen zu tun, die er oder seine Familie aufgekauft bzw. unter Kontrolle gebracht und sich somit ein Monopol bzw. Netzwerk unvorstellbaren Ausmaßes gesichert hat.

Sei’s drum, für die Handlung erscheint mir dieser Hergang nicht so wichtig.

Band I: Ophelia Scale – Die Welt wird brennen

Am gruseligsten fand ich die sog. „Clearing Verfahren“, die einem die Erinnerung z.T. ganzer Jahre nehmen. Und genau das ist mit dem Freund der Protagonistin Ophelia passiert. Knox wurden angeblich 10 Jahre genommen (er wurde sozusagen Hirntechnisch in das Alter zurückversetzt, in dem er noch ungefährlich für den König war). Er gehörte der Widerstandsgruppe ReVerse an, der sich auch Ophelia angeschlossen hat. Die Geschichte beginnt mit einer großen Chance für die Organisation: Der König sucht Leute für seine Garde. Ophelia bewirbt sich und besteht den Auswahlprozess. Doch Ihre Ausbildung verläuft nicht ganz wie geplant, denn sie erhält immer mehr Einblicke in die andere Seite und wird schließlich umgedreht. Natürlich hat auch der gutaussehende und charmante Bruder der Königs daran seinen Anteil. Doch ist Lucien wirklich, was er vorgibt zu sein? Wem kann Ophelia vertrauen?

Man weiß nach wenigen Kapiteln nicht mehr, was man glauben soll. Wer oder was sind die Guten? Wer oder was die Bösen? Ich habe noch nie so oft meine Theorien verwerfen müssen wie in diesem Roman. Einzig mein Bauchgefühl hat noch eine Meinung. D.h. ich weiß genau, wer gut sein soll. Da es mein erstes Buch von Lena Kiefer war, konnte ich sie diesbezüglich noch nicht einschätzen: Ist sie pro „Happy End“? Aber wenn mein Bauchgefühl wirklich stimmt, hat unsere Protagonistin schlussendlich etwas getan, bei dem ich nicht weiß, wie sie da wieder rauskommen soll…

Charaktere

Alle Figuren sind unglaublich authentisch gezeichnet. Vermutlich gefällt mir Ophelia gerade deswegen so gut, weil sie eben nicht nur die „gute Heldin reinen Herzens ist“ sondern auch mal eine dunkle Seite an den Tag legt.

Knox und Lucien liefern sich ein wahres Protagonisten-Duell. Beide sind komplex aufgebaut und jeder auf seine Art absolut nachvollziehbar in den Handlungen (und im ersten Band auch noch zum Verlieben!).

König Leopold erinnert mich in seinem Bestreben, die Welt vor der Übernahme künstlicher Intelligenz zu bewahren, ein wenig an Richard David Precht. Dieses Buch wäre sicher seine ganz persönliche Albtraum-Dystopie.

Der Sprachstil

…ist geprägt durch kurze Sätze, die mich durch das Buch rauschen lassen.

Fazit

Ein durch und durch fesselnder Einstieg in diese Zukunftsprojektion. Gerade das Setting in unserer Welt hat mich voll überzeugt und lässt eine ganz besondere Spannung entstehen, da die Entwicklungen nicht unwahrscheinlich sind.

Die Bezüge auf die heutige Popkultur sind zwar streng genommen weniger authentisch, das macht der dadurch gewonnene Lesespaß aber mehr als wett.

Ein Tipp: Nehmt euch nach der Lektüre nicht direkt etwas vor. Ich war nämlich erstmal fix und fertig. In jeder Hinsicht.

Also vergesst sämtliche Dystopien. Diese ist die Beste. Und die Verwirrendste. Und sie hat den irrwitzigsten Cliffhanger ever.

Band II: Ophelia Scale – Der Himmel wird beben

…beginnt genauso wie Teil I geendet hat. Dramatisch. Ich denke es ist kein Spoiler, wenn ich verrate, dass Ophelia der Todesstrafe entgehen kann (sonst wäre es ja auch keine Trilogie geworden…), aber zu welchem Preis? Sie wird als Doppelagentin bei ReVerse eingeschleust und schlittert von einem Gefühlschaos ins nächste. Selbst mein Bauchgefühl hat nach einigen Kapiteln und mehrfachen Meinungswechseln aufgehört, Theorien zu entwickeln. Und dann endlich: zumindest was die Frage nach Gut und Böse angeht, bekommen wir nach einigen Kapiteln etwas mehr Gewissheit.

Die sich entwickelnde Dreiecksbeziehung habe ich ebenso wenig vorausgeahnt, wie den Rest der Handlung. Insbesondere ist der Autorin ein wahrer Geniestreich gelungen, in der Art und Weise, wie sie die Liebenden wieder vereint. Anders als in Teil I steht dieses Mal jedoch die Mission im Vordergrund. Es wird spannend, actionreich und intrigant – sowohl menschlich als auch technologisch. Wir erfahren mehr über Ophelias „Defekt“ und auch über die KI.

Figuren

Was in Band II noch deutlicher wird ist die Komplexität der Charaktere.

Die Tiefe, in der selbst kleinste Nebendarsteller*innen aufgebaut sind, sucht wirklich ihresgleichen. Jede einzelne Figur ist so facettenreich gezeichnet – wirklich eine unglaubliche Detailverliebtheit. Ich habe selten so authentische Charaktere erlebt.

Schreibstil

Natürlich spielt die Autorin weiterhin mit uns. Wo wäre schließlich sonst der Spaß, mag sie sich gedacht haben… Diesmal quält sie uns mit einer Endlosschleife aus Hoffnung und deren Vernichtung.

Das Ende ist hart, ein wenig überraschend, aber vor allem ausgesprochen authentisch.

Band III: Ophelia Scale – Die Sterne werden fallen

Kennt ihr das, wenn ihr euch in einem Zwiespalt befindet, unbedingt weiter lesen zu wollen und gleichzeitig nicht zum Ende kommen wollt? Dieser Zustand beschreibt den dritten Band der Reihe wohl am besten.

Erneut staune ich über die Brillanz, mit der es die Autorin geschafft hat, die Protagonisten wieder zusammen in einen Plot zu bringen. Ich hatte nach dem Ende des letzten Buches keine Idee, wie das gehen sollte und befürchtete schon, die Geschichte würde in zwei getrennten Handlungssträngen weitergehen, die sich erst ganz zum Schluss wieder vereinen.

Auch dieser Teil hält eine Wendung bereit, die ich nicht vorhergesehen habe, aber einfach nur wunderbar finde.

Ophelia hat eine heroische Entscheidung getroffen, mit der sie nun umzugehen versucht. Erneut ist sie als Agentin in feindlichem Gebiet im Einsatz. Doch schon bald warten ganz neue Herausforderungen auf unsere Protagonistin. Wie unterstützt man einen König dabei, sein Land gegen eine unschlagbar scheinende KI zu verteidigen, von der das Volk nichts weiß und die keinerlei Skrupel dabei hat, Menschenleben zu opfern? Wie weit wird Ophelia gehen, um die Liebe ihres Lebens und ihr eigenes Land zu retten?

Finale

Auf den letzten Seiten bekam ich es nochmal gehörig mit der Angst zu tun. Dennoch schafft es Lena Kiefer, dass ich mit dem sich ankündigenden Ende meinen Frieden schließe.

Und ich hätte mir tatsächlich einen anderen Ausgang vorstellen können. Hätte das Buch auf S. 497 geendet, wäre ich gar nicht so verzweifelt gewesen, wie ich es einige Seiten zuvor erwartet hätte. Denn es wäre ein Ende gewesen, das der Fantasie freien Lauf lässt. Müssen für ein Happy End überhaupt alle überleben? In Liebe vereint zu sterben ist doch auch recht romantisch?

Vor allem mit der gruseligen Variante hätte ich mich wirklich anfreunden können…

Charaktere

Wenn ich ein Wort wählen müsste, das alle Figuren exzellent beschreibt, bräuchte ich gar nicht lange überlegen: Authentizität. Das gilt nicht nur für die menschlichen Darsteller*innen. Ich finde es wirklich unglaublich, wie realistisch die OmnI und alle technischen Spielereien beschrieben wurden. Laut Danksagung haben wir das übrigens dem Mann der Autorin zu verdanken.

Fazit

Mir sind diese Trilogie, diese Welt und die Charaktere so ans Herz gewachsen, dass sie mir fehlen, seit ich die letzte Zeile gelesen habe.

Gesamtfazit

Diese Trilogie ist perfekt. Keins der Bücher hat Längen noch fehlt irgendetwas.

ICH. HABE. WIRKLICH. REIN. GAR. NICHTS. DARAN. AUSZUSETZEN. Und wer mich kennt, weiß, dass ich eigentlich immer etwas finde.

Aber Ophelia Scale ist tatsächlich die perfekte Balance zwischen Action, Spannung, Liebe und Drama.

Ich beneide ausnahmslos all jene, die das Glück haben, diese Reihe zum ersten Mal lesen zu dürfen.

Und zum ersten Mal in der Pandemie, bin ich furchtbar traurig, dass derzeit keine Lesungen stattfinden (ist sonst eher nicht so meins). Aber diese drei Bände hätte ich mir wirklich sehr gern von der Autorin signieren lassen.

Buddyread

Ich habe alle drei Bände mit der lieben @Ninespo zusammen gelesen. Und ganz ehrlich: Ophelia sollte man in ihrem Schicksal nicht allein begleiten. Eure Gefühle werden Achterbahn fahren. Um nichts in der Welt hätte ich den Austausch mit Nina missen wollen. Wir haben gerätselt, geheult, gewütet und gelacht. Es musste so vieles raus!

Daher kann ich euch nur empfehlen: Sucht euch eine Leserunde oder einen Buddyread für diese unglaubliche Reise!

Infos

Titel: Ophelia Scale
Bd. 1: Die Welt wird brennen, 464 Seiten, 18. März 2019
Bd. 2: Der Himmel wird beben, 496 Seiten, 26. August 2019
Bd. 3: Die Sterne werden fallen, 512 Seiten, 11. November 2019

Autorin: Lena Kiefer

Verlag und Copyright: CBJ

Preis: je 18 € (gebunden)

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