Piccola Sicilia von Daniel Speck

Dieses Buch wurde mir von der lieben Sandra (@Sandy26.1) empfohlen, als mein Mann und ich mal einen italienischen Tag geplant hatten. Dabei geht es in „Piccola Sicilia“ gar nicht (oder zumindest nicht vorwiegend) um Italien, wie der Titel vermuten lässt, sondern um ein italienisches Viertel in Tunis während des zweiten Weltkrieges.

Inhaltsangabe des Verlags

Was, wenn deine Familie in Wahrheit eine andere ist?
Ein sonniger Herbsttag auf Sizilien. Schatztaucher ziehen ein altes Flugzeug aus dem Meer. Die deutsche Archäologin Nina findet auf der Passagierliste ihren Großvater Moritz, der seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen galt – das große Geheimnis ihrer Familie. Überraschend begegnet Nina einer fremden Frau, die behauptet, Moritz‘ Tochter zu sein. Hatte er eine zweite Familie?
Tunis, 1942. Das bunte italienische Einwandererviertel »Piccola Sicilia«. Im Grandhotel Majestic begegnet der deutsche Soldat Moritz der faszinierenden Jüdin Yasmina und ihrer heimlichen Liebe, dem Pianisten Victor. Als die Nazis Victor gefangennehmen, riskiert Moritz alles, um ihm zur Flucht zu verhelfen. Doch durch seine Gefühle für Yasmina gerät er in ein schicksalhaftes Dilemma.

Meine Meinung

Das Buch ist also in zwei Handlungsstränge aufgeteilt, die nach und nach miteinander verwoben werden. Allerdings stehen diese nicht gleichwertig nebeneinander, denn sowohl im Hinblick auf Seitenzahl als auch auf Tiefe dominiert Yasminas Geschichte. Nina’s Plot bildet eher eine Art Rahmen, in der die Erinnerungen an die Vergangenheit eingebettet werden. Wäre es bei ihrer Suche nach der Geschichte ihres Großvaters geblieben, hätte mich das auch nicht weiter gestört, aber warum der Autor den Betrug ihres Mannes, die Scheidung und das Wiedersehen mit einem Jugendfreund einbaut, erschließt sich mir nicht, denn weder werden diese Aspekte entsprechend ausgebaut noch haben sie Einfluss auf die eigentliche Handlung.

Charaktere

Aufgrund des fehlenden Raums für Entwicklungen, bleiben die Figuren der Gegenwart recht blass, während Yasminas Familie und ebenso Moritz sehr detailreich gezeichnet waren. Sie erschienen so lebensecht, dass ich das Gefühl hatte, sie wirklich kennen gelernt zu haben:

  • den deutschen Moritz, der nach einer guten Tat damit konfrontiert wird, immer wieder in andere Rollen schlüpfen zu müssen, um zu überleben und Mühe hat, sich selbst am Ende (wieder) zu finden
  • den Frauenheld Victor, gefangen in einer unerlaubten Liebe
  • seine Adoptivschwester Yasmina, weltoffen und fröhlich, deren bedingungslose Liebe sie fast zerstört
  • Mimi und Albert, hin und hergerissen zwischen elterlichen Gefühlen und Anstand und Moral

Der Schluss hat mich dann allerdings eiskalt erwischt, obwohl die Fakten eigentlich schon während des ganzen Buches offen auf dem Tisch lagen.

Geschichtsstunde

Ich war sehr überrascht und beeindruckt, wie viele neue historische Details mit Daniel Speck in diesem Roman zeigt.

Ich liebe es ja, wenn ein Buch unterhaltsam und wie nebenbei meine Allgemeinbildung erweitert.

Und die Atmosphäre, die Daniel Speck heraufbeschwört, wie er das Leben, die Traditionen und das Essen in Tunis einfängt, ist großartig, er hat mich regelrecht dorthin versetzt. Inklusive aller schrecklichen Eindrücke, aber auch Lichtblicke und Hoffnungsschimmer jener Zeit.

Allerdings war es anfangs etwas verwirrend, die verschiedenen Kulturen und Religionen auseinander zu halten, bspw. handelt es sich ja bei Familie Sarfati um italienische Juden aus Tunis, deren Kinder die französische Staatsbürgerschaft haben. Vor Beginn des zweiten Weltkrieges scheinen Juden, Muslime, Christen, Italiener, Franzosen und Araber friedlich als Tunesier zusammen gelebt zu haben, doch das Gift des Nationalsozialismus hat Zwietracht gesät und diejenigen, die einst in nachbarschaftlicher Verbundenheit zueinander standen, auseinandergerissen und entfremdet.

Wie verrückt die Verhältnisse damals waren, zeigt, dass Yasminas Familie zuerst im Fadenkreuz der Nazis stand, weil sie ja Juden waren. Doch nach dem Krieg wechselten sie ins Fadenkreuz der Alliierten, weil sie auch Italiener waren.

Interessant fand ich noch, dass mit der Geschichte letztendlich auch die Entstehung Israels beschrieben wurde. Das habe ich so auch noch nicht gelesen.

Dabei wirken die historischen Begebenheiten und Ereignisse gut recherchiert und real, ich hatte nie das Gefühl, etwas überprüfen zu müssen.

Der Schreibstil…

…hat mir sehr gut gefallen. Trotz der Thematik ließ es sich flüssig weg lesen. Allerdings hatte die Geschichte ein paar Längen, weshalb es für mich leider kein Jahreshighlight wurde.

Hörbuch

Ich habe das Buch parallel auch als Hörbuch gehört, weil es von der gleichen Sprecherin eingelesen wurde, die auch „Der Gesang der Flusskrebse“ gesprochen hat. Leider war bei diesem Buch jedoch noch ein männlicher Sprecher dabei und das hat für mich einfach nicht gepasst.

Fazit

Eine intensive und fesselnd geschriebene Familiengeschichte, die mir einen weiteren Blickwinkel auf die grausamste Zeit unserer Historie gezeigt hat. Ausgesprochen lesenswert!

Es gibt eine Fortsetzung „Jaffa Road“, die erzählt, wie es mit den Protagonisten weitergeht. Die steht schon auf meinem Wunschzettel.

Bibliografie

Titel: Piccola Sicilia
Autor: Daniel Speck
Verlag und Copyright: FISCHER Taschenbuch
Seitenzahl: 640
Erscheinungstermin: 25. März 2020
Preis: 11 € (Taschenbuch)

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