Dieser Roman war früher einer meiner Lieblings-Agatha Christie, daher habe ich sehnsüchtig darauf gewartet, dass auch er endlich in der schönen neuen Ausgabe des Atlantikverlags erscheint.
Klappentext
Seit zwanzig Jahren sind Celias Eltern nun bereits tot. Die rätselhaften Todesumstände konnten nie geklärt werden. Als bei einem geselligen Abendessen eine unerwartete Frage alte Wunden aufreißt, merkt Ariadne Oliver, dass die Wahrheit endlich ans Licht kommen muss: Wer hat hier wen getötet, der Vater die Mutter oder umgekehrt? Hercule Poirot ermutigt seine alte Freundin, der Erinnerung der inzwischen gealterten Zeugen zu vertrauen. Denn Poirot weiß: „Elefanten vergessen nicht.“
Kurzer Exkurs: WHAT???
Dazu muss man wissen, dass Mme Oliver mit den beiden Todesopfern bekannt war. Zudem ist sie die Patentante der verwaisten Tochter. Als diese heiraten will, scheint die Thematik insbesondere für die Familie ihres Zukünftigen von enormen Interesse.
Ich kann schon verstehen, dass man da wissen möchte, ob der Vater oder die Mutter Kriminelle oder Geisteskranke in der Familie hatte. Wahrscheinlich dachte sie, dass, wenn die Mutter den Vater getötet hatte, es sehr unklug von dem Jungen wäre, die Tochter zu heiraten. Wenn dagegen der Vater die Mutter umbrachte, hätte ihr das wohl nicht so viel ausgemacht.
Agatha Christie: Elefanten vergessen nie, S. 118
Ohne Worte…
Meine Meinung
Normalerweise liegen mir Cold Cases nicht so, aber die Queen of Crime kann mir auch ein 20 Jahre zurückliegendes Verbrechen und deren Aufklärung schmackhaft machen. Das schafft sie neben einem verblüffenden Plot insbesondere über die Charaktere: Ariadne Oliver und Hercule Poirot ermitteln nämlich gemeinsam. Die Figur der chaotisch-impulsiven Schriftstellerin mochte ich schon immer. Aber es ist schon ein Charakter über den man streiten kann – einer von der Sorte: Man liebt ihn oder man hasst ihn. Die Persönlichkeit Ariadne Olivers ist so ziemlich das Gegenteil unseres peniblen, Verstandesgeleiteten Poirots. Und gerade das macht sie zu einem unschlagbaren Ermittlerduo. Mme Oliver ist Klatsch und Tratsch nicht abgeneigt und genau das kommt den Ermittlungen in diesem Fall sehr zu gute. Als Celias Patentante begibt sie sich auf die Suche nach „Elefanten“ und hört sich zahlreiche Geschichten aus der Vergangenheit an, während Poirot versucht, die Wahrheit aus diesen Erinnerungen zu extrahieren.
Diese Ausgangssituation finde ich besonders spannend, denn die Funktion des menschlichen Gedächtnisses ist in dieser Hinsicht ja durchaus tricky. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass einem die Befragten in vollem Bewusstsein Lügen auftischen können, verfälscht unser Gehirn gern die ein oder andere Begebenheit, ohne dass es uns klar ist. Sich überhaupt und dann auch noch richtig zu erinnern, es zudem korrekt wiedergeben zu können, ist nicht vielen Menschen vergönnt.
All das lässt Agatha Christie in ihre Handlung einfließen. Die Berichte werden absolut glaubwürdig dargestellt. Für uns Leser:innen passen nicht immer alle Punkte zusammen, aber wir wissen einfach nicht, warum. Und so glauben wir, mit zu verfolgen, wie sich die Puzzlestücke nach und nach zusammensetzen. Doch es ist vielmehr, als würde man zunächst den Rahmen legen und feststellen, dass ein Randstück fehlt. Man ärgert sich, weil das Puzzle neu war und trotzdem unvollständig. Auf die Idee, dass man ein Teil übersehen haben könnte, kommt man erst gar nicht. Aber ganz zum Schluss taucht es eben doch auf.
Die Lösung des Rätsels ist ebenso logisch wie verblüffend. Letzteres vor allem deshalb, weil ich nicht glaube, dass heute noch jemand so handeln würde.
Schreibstil
Sprache und Atmosphäre sind wieder ein Traum. Ich amüsiere mich gern darüber, wie schwierig damals alles war: Besuche mussten vereinbart, Einladungen ausgesprochen und Anliegen mit Bedacht vorgebracht werden.
Der Spannungsbogen ist ganz Agatha Christie: ruhig, aber fesselnd.
Aber…
Leider muss ich erneut Kritik am Atlantik-Verlag äußern. Auf Seite 7 der 2020er Ausgabe ist von N…braun die Rede und erneut bin ich entsetzt, dass dieser Ausdruck bei einer Neuauflage beibehalten wird. Er trägt absolut nichts zur Handlung oder deren Entwicklung bei und hätte einfach durch ein Schokoladen-, Nuss- oder simples Dunkelbraun ersetzt werden können.
Fazit
Einer meiner am häufigsten gelesenen Agatha Christie Romanen. Für Liebhaber:innen von Mme Oliver ein absolutes must-read.
Bibliografie
Titel: Elefanten vergessen nie
Autorin: Agatha Christie
Übersetzung: Ruth Bieling
Verlag und Copyright: Atlantik
Seitenzahl: 224
Erscheinungsdatum 05. August 2020
Preis: 12 € (Taschenbuch)