Das irrationale Vorkomnis der Liebe von Ali Hazelwood

Ich habe selten einem Liebesroman so entgegengefiebert wie dem zweiten Buch von Ali Hazelwood. Es spielt wieder im Wissenschaftsbereich, beschäftigt sich mit feministischen Themen und enthält richtig viel Wortwitz. Eine Art Big Bang Theory – Moxie – Gilmore Girls Madley. Also zog es direkt am Erscheinungstermin bei mir ein und war bereits am nächsten Tag ausgelesen.

Inhaltsangabe des Verlags

Für Neurowissenschaftlerin Bee ist die Liebe nur ein neurophysiologischer Zwischenfall, hoffnungslos instabil und der wahre Bösewicht menschlicher Beziehungen, deren neuronale Grundlagen sie erforscht. Als Frau in den Naturwissenschaften ist Bee eine bedrohte Art in einer von Männern beherrschten Welt, in der für sie stets gilt: Was würde Marie Curie tun? Dann wird ihr die Leitung eines neurotechnischen Wunschprojekts angeboten – was Marie Curie sofort annehmen würde. Aber die musste auch nie mit Levi Ward zusammenarbeiten, Bees langjährigem akademischem Erzfeind, der ihren Traum zum Projekt des Grauens macht. Bis Bee sich plötzlich in eine völlig irrational romantische Zwangslage verstrickt findet, in der nur noch zählt: Was wird Bee tun?

Meine Meinung

Ich liebe wirklich alles an dem Setting: Dass Bee Neurowissenschaftlerin ist (hätte ich noch mal die Wahl, wäre das mein Studienfach!), dass sie sich in einen Ingenieur verliebt (kann ich gut nachvollziehen), dass beide Katzenmenschen sind (ich sage nur: ein Kater namens Schrödinger), dass ihr Lieblingsfilm „Das Imperium schlägt zurück“ ist (ihr kennt meine Todessterntorte zum 4. Mai oder?) und dass es um ein Projekt bei der NASA geht (ich habe meinen Mann mal auf einer Dienstreise nach Mountain View begleitet und ja, da gibt es nicht nur Google).

Charaktere

Ali Hazelwood hat das Talent, so lebensechte Charaktere zu zeichnen, dass man Wirklichkeit und Fiktion kaum zu trennen vermag. Wieder ist es mir super leicht gefallen, mich mit der Protagonistin zu identifizieren (vor allem, weil sie ebenso wie ich viel zu niedrigen Blutdruck hat und keine Minute Jogging durchhält). Und was für eine geniale Idee ist es bitte, aus ihr eine Art Marie Curie Groupie zu machen und darüber etwas Wissenschaftsgeschichte unter die Leute zu bringen? Dass sie außerdem nicht dem stereotypen Äußeren einer Liebesromanprotagonistin entspricht, sondern mit farbigen Haaren, Piercings und Tattoos daher kommt, gefällt mir auch mega. Lange Rede, kurzer Sinn: Bee muss man einfach mögen.

Aber auch Levi steht seinem Vorgänger aus „Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe“ in nichts nach. Beides sind wahre Vorbilder, was männliche Wissenschaftler betrifft (daher ist das Buch unbedingt auch was für euch, Jungs!). Na gut, vielleicht hat mich Adam ein klitzekleines Bisschen mehr umgehauen, andererseits ist Levi Ingenieur… Was ich aber an beiden Figuren so schätze, ist die Art, wie einfühlsam sie beim Sex mit ihren Partnerinnen umgehen. Mädels ernsthaft: gebt euch nie mit weniger zufrieden! Grundsätzlich finde ich es toll, wie die Autorin mit dem Thema umgeht. Dass es bspw. nicht immer sofort funktioniert. Es gibt viel zu selten so „echte“ sexy time in Büchern.

Mit Bees quirliger Assistentin Rocío bringt die Autorin nicht nur ein bisschen Diversity mit rein, sondern spricht auch die empirisch belegten Probleme standardisierter Zugangstests an. Das war mir vorher überhaupt nicht bewusst und hat mir echt zu denken gegeben, da meine Fakultät den GRE physics test für Masterbewerbungen verlangt. Das werde ich bei uns also mal ansprechen. Wer hätte gedacht, dass ein Liebesroman mit buntem Cover und lila Farbschnitt die Welt verändern kann?

Willkommen in meiner Welt

Und genau das ist es, was mir an Ali Hazelwoods Romanen so unsagbar gut gefällt: die Art, wie sie Missstände im Wissenschaftsbetrieb mit einfließen lässt. Sie macht auf die Probleme aufmerksam und bettet sie einfach in eine Liebesgeschichte, so dass ich mir sicher bin, dass jetzt viel mehr Menschen wissen, womit Akademikerinnen in Forschungsinstitutionen zu kämpfen haben. Da merkt man einfach, dass sie weiß, wovon sie spricht, denn sie ist ja selbst Naturwissenschaftlerin.

Dramaturgie und Handlung

Ihr wisst, wie schlecht ich Spannungsbögen aushalten kann und in der Beziehung meint es die Autorin wirklich gut mit mir. Außerdem legt sie ihren Protagonist:innen nur plausible Hürden in den Weg. Es gibt nichts Schlimmeres als ein rein dramaturgisch benötigtes Missverständnis, dass sich mit einem einzigen Gespräch lösen ließe, dieses aber künstlich in die Länge gezogen wird. Dieser Plot verkettet zwar auch verschiedene – aber logisch wirkende – Missverständnisse miteinander, doch ich kaufe der Autorin ab, dass niemand vorher Anlass zu einem klärenden Gespräch hat, bei dem dann endlich die gegenseitigen Fehleinschätzungen aus dem Weg geräumt werden können.

Der Roman ist recht vorhersehbar, aber das ist bei Liebesgeschichten ja oft der Fall und so habe ich nur umso stärker dem ersten Kuss entgegengefiebert. Und zum Schluss gibt es zumindest noch einen kleinen überraschenden Plottwist.

Sprachstil

Ich habe jedes Wort, jede Zeile, jede Seite verschlungen. Ali Hazelwood schreibt locker leicht, mit humorvollen Bezügen zur Popkultur und ganz viel Wortwitz. Ich habe so oft aus dem Nichts loslachen müssen, das mein Mann mich schon für verrückt erklärt hat. Aber habt ihr schon mal von Schwanzclustern oder Schniedelreferenz gehört? Na also!

Fazit

Ich habe nicht einen einzigen Kritikpunkt. Außer vielleicht, dass meine Zeit mit Bee und Levi so schnell vorbei war.

„Das irrationale Vorkommnis der Liebe“ ist eine humorvolle Liebesgeschichte, die gleichzeitig Diskriminierung in Wissenschaftsbetrieben thematisiert und trotzdem unterhaltend bleibt. Und selbstverständlich gibt es ein Happy End.

Die Autorin hätte also keine Sekunde lang „Zweitbuchangst“ haben müssen, denn es ist mindestens so gelungen wie ihr Debüt „Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe“.

Ich kann dieses Buch wirklich nur allen ans wärmstens ans Herz legen:

  • Schüler*innen, in der Erwartung, sie für den MINT Bereich zu interessieren (denn er ist wirklich cool).
  • Wissenschaftlerinnen, in der Bestärkung, weiter um ihre Rechte zu kämpfen.
  • Wissenschaftlern, in der Hoffnung, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren sowie Schwancluster und Schniedelreferenzen aufzulösen (Ich kann diese Wörter nicht oft genug wiederholen, aber hoffentlich rutschen Sie mir nicht mal in einem Meeting raus…).
  • Allen anderen, in der Bestrebung, einen Einblick in diese oft als Elfenbeinturm verschriene Berufswelt zu gewähren. Und ja – genau so sieht der weibliche Arbeitsalltag in der Wissenschaft aus.

Bibliografie

Titel: Das irrationale Vorkomnis der Liebe
Autorin: Ali Hazelwood
Übersetzung: Anna Julia und Christine Strüh
Verlag und Copyright: Aufbau Verlage
Seitenzahl: 448
Erscheinungsdatum: 20. September 2022
Preis: 18 € (Klappenbroschur)

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