Das Liebespaar des Jahrhunderts von Julia Schoch

Ich weiß echt nicht, warum Bücher über gescheiterte Ehen immer wieder auf meinem SuB landen, denn ich habe noch nie eine gute Geschichte darin entdeckt. „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ ist auch das aktuelle Buch der Bestsellerchallenge des eat.read.sleep-Podcasts und bin sehr gespannt auf die Meinung von Katharina Mahrenholtz und Jan Ehlert.

Klappentext

Eine Frau will ihren Mann verlassen. Nach vielen Jahren Zusammenleben und Ehe ist sie entschlossen und bestürzt zugleich: Wie konnte es nur dazu kommen? Während sie ihr Fortgehen plant, begibt sie sich in ihren Gedanken weit zurück. Da waren die rauschhaften Jahre der Verliebtheit, an der Universität, zu zweit im Ausland und später mit den kleinen Kindern, aber da gab es auch die Kehrseite – Momente, die zu Wendepunkten wurden und das Scheitern schon vorausahnen ließen. Doch ist etwas überhaupt gescheitert, wenn es so lange dauert? Julia Schoch legt frei, was im Alltag eines Paares oft verborgen ist: die Liebesmuster, die Schönheit auch in der Ernüchterung. Ein Loblied auf die Liebe. 

Meine Meinung

Um ehrlich zu sein, hatte ich auf verschiedenen Ebenen Probleme mit diesem autofiktionalen Buch; vor allem habe ich keinen Zugang zur Namenlosen Ich-Erzählerin gefunden, die sich direkt an ihren Lebensgefährten (ebenfalls Gesichtslos) wendet. Ihre Schilderungen waren kühl und distanziert, daher kam es mir so vor, als läse ich einen anonymen „Schlussmach-Brief“.

Ich fand eine größere Wohnung, für uns beide, für uns drei. Du umarmtest mich häufiger, seitdem wir erfahren hatten, dass ein Kind in mir heranwuchs.

Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts, S. 86

Ihr Selbstvertrauen ist extrem niedrig, immer wieder fragt sie sich, was er an ihr gefunden hat. Trotzdem (oder gerade deswegen?) scheint sie sich nur über ihre Beziehung zu ihm zu definieren.

Es ist mir immer natürlich vorgekommen, dass mein Lebensplan ausschließlich der Liebe gehorchte. Alles, was ich tat oder unterließ, geschah in Abhängigkeit von dir.

Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts, S. 63

Am Ende spricht sie von einem erfüllten Leben, stattdessen kommt es mir so vor, als wäre sie nur ein Geist gewesen, der niemals das machen konnte, was seine wahre Leidenschaft gewesen wäre.

Vermutlich kommt ihr der Gedanke, ihn zu verlassen, deshalb relativ früh. Doch immer wieder fehlt ihr der Mut, ihn in die Realität umzusetzen. Und selbst nachdem sie die Entscheidung endgültig getroffen hat, wird diese unentwegt hinterfragt.

Akribisch seziert sie ihre Partnerschaft und philosophiert dabei über Liebe, Beziehung und Elternschaft. Normalerweise gefällt mir so etwas; stattdessen wirken ihre Überlegungen zerstörend und keineswegs gesund.

Der Entschluss, mich von dir zu trennen, ließ mich aufleben. Fröhlich und beschwingt war ich, als hätte ich es bereits getan. Jetzt, da ich keine Angst mehr hatte, dich zu verlieren, konnte ich das Leben mit dir leicht nehmen. (…) Vielleicht ist nicht nur das Aussprechen einer Absicht der abgeschossene Pfeil. Vielleicht ist es bereits der Gedanke. Nicht nur, was man sagt, auch was man denkt, ist in der Welt. Weil fast alles, was gedacht wird, irgendwann auch getan wird. Getan werden muss. Es ist wie ein Zwang. Die Realität ist nur der Kollateralschaden sämtlicher Einfälle, die jemals gedacht worden sind, ihr unvermeidliches Nebenprodukt.

Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts, S. 103

Einzelne Situationen werden pointiert, aber abstrakt herausgearbeitet, sodass die Lesenden zwar ganz allgemein erfassen können, worum es geht, aber was wirklich mit ihrer Beziehung passiert, bleibt sehr diffus und ich erkenne keine wirkliche Ursache für die Entfremdung. Für die sich einschleichende Abhängigkeit, Eifersucht und Sehnsucht werden weder konkrete Konflikte, Auseinandersetzungen oder (Streit-)gespräche geschildert.

In was verwandelt man sich, wenn der andere aufhört, einen zu lieben? Verwandelt man sich in sich selbst zurück? Ist man, wenn man aus einer Liebesbeziehung entlassen wird, noch immer der Mensch, in den der andere sich einst verliebt hat? Oder war ich, sozusagen unter dem Zugriff der Liebe, unbemerkt von der Außenwelt, ja sogar ohne dass ich selbst es bemerkt hätte, mit den Jahren eine andere geworden?

Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts, S. 76

Ich habe gesagt: Unsere Geschichte ist zu Ende, wenn wir auseinandergehen. Dass sie dann verloren ist. Und dass ich deshalb Angst vor einer Trennung habe.
Aber vielleicht ist es auch genau andersherum. Vielleicht braucht es ein Ende in der Wirklichkeit, damit das Erzählen beginnen kann.

Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts, S. 79

Fest steht: Ich war näher bei mir. Aber das hieß eben auch: Ich war weiter weg von dir. Wie es aussieht, ist die Emanzipation der Tod in der Liebe.

Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts, S.  156

Hinzu kommt, dass wir natürlich nur die Wahrnehmung der Ich-Erzählerin erfahren. Und die auch noch durch den Filter einer gescheiterten Ehe, sodass selbst der Anfang nicht wie eine Liebesgeschichte klingt. Darin, aber auch im Aufbau, erinnert es stark an „Verlangen“ von Breg Hofstede.

Manchmal jedoch zeigt sie eine Sicht, die mir nicht fremd ist.

Noch beim Filmegucken oder Lesen fasste ich den Plan, dich am nächsten Morgen zu berühren. Ich würde dich einfach von hinten umschlingen, was sollte schwer daran sein? Dann sagte ich mir: Nein, jetzt! Jetzt gleich! Und dann ging ich hinüber, in die Küche, wo du am Küchentisch saßest, den aufgeklappten Laptop vor dir. Doch plötzlich wusste ich nicht, wie ich es anstellen sollte. Was konnte ich sagen, wie genau sollte ich es tun? Die Realität war ernüchternd. Es kam mir unpassend vor und lächerlich, dich aus der Tiefe der Zeit heraus berühren zu wollen.

Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts, S. 155

Über die Autorin

Julia Schoch, 1974 in Bad Saarow geboren, aufgewachsen in der DDR-Garnisonsstadt Eggesin in Mecklenburg, gilt als »Virtuosin des Erinnerungserzählens« (FAZ) und bekam für ihre von der Kritik hochgelobten Romane und Erzählungen schon viele Preise, zuletzt den Schubart-Literaturpreis für ihren Roman ›Das Vorkommnis. Biographie einer Frau‹. Für ihr schriftstellerisches Gesamtwerk wurde ihr 2022 die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung verliehen. Sie lebt in Potsdam.

Fazit

Das Buch liest sich schnell; es ist nicht dick, gerade einmal 190 Seiten. Es gibt noch nicht einmal Kapitel, nur Absätze, und trotzdem kann ich nichts damit anfangen. Vielleicht liegt es daran, dass es der zweite Teil einer Trilogie ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich die anderen beiden Bände nicht lesen werde.

Am traurigsten finde ich, dass die Protagonistin scheinbar keine Ahnung hat, was Liebe ist…

Bibliografie

Titel: Das Liebespaar des Jahrhunderts
Autorin: Julia Schoch
Verlag und Copyright: dtv
Seitenzahl: 192
Erscheinungsdatum: 16. Februar 2023
Preis: 22 € (gebunden)

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