Der erste Band der Winternachttrilogie „Der Bär und die Nachtigall“ war für mich ein absolutes Jahreshighlight. Das mittelalterliche Setting Russlands im Konflikt zwischen alten Geistern und aufkommender Christianisierung hat mich vollkommen fasziniert, daher konnte ich kaum erwarten, wie die Geschichte der mutigen jungen Wasja weitergeht.
Klappentext
Wasja hat es geschafft: Sie hat ihr Zuhause vor dem Untergang bewahrt, indem sie einen Pakt mit Väterchen Frost einging. Doch jeder Pakt hat seinen Preis, und nun muss Wasja bitter für die Hilfe des Winterdämons bezahlen. Als Hexe verschrien, wird sie aus dem Dorf gejagt und durchstreift fortan in Männerkleidung das riesige Zarenreich. Immer an ihrer Seite ist ihr geliebter Hengst Solowej, der schneller ist als der Wind. Als Wasja eines Tages eine berühmt-berüchtigte Räuberbande in die Flucht schlägt, ruft sie der Prinz an den Hof nach Moskau, wo sie als Held gefeiert wird. Schnell wird Wasja – dank der Ratschläge des Winterdämons – zur engsten Vertrauten des Prinzen. Doch niemand am Hof darf je erfahren, dass der tapfere Kämpfer aus dem klirrend kalten Norden eigentlich eine junge Frau ist…
Meine Meinung
Die Handlung setzt unmittelbar nach den Ereignissen des ersten Bandes ein und so landen wir direkt in Wasjas nächstem Abenteuer. Das Tempo ist insgesamt höher, aber passend.
Die Intrigen und Machtspiele am Moskauer Hof waren allerdings weniger meins. Jedoch nicht, weil sie nicht gut geschrieben wären, sondern weil ich so was immer schlecht aushalten kann. Zum Ende hin wird es sogar richtig schlimm…
Schreibstil
Wie im ersten Buch, ist Ardens Erzählstil sehr atmosphärisch, detailreich und fesselnd. Schon nach den ersten Seiten befinde ich mich wieder im eisigen Rus – nicht zuletzt durch die erneut zahlreich eingestreuten russischen Begriffe (keine Sorge, es gibt ein Glossar im Anhang) – und mit den Beschreibungen all der Sitten, Gebräuche und Legenden Russlands zieht sie mich immer tiefer in die Geschichte. Ihre Bildhafte Sprache lässt mich Solowejs Mähne fühlen, seine Hufe im Schnee knirschen hören und die Winterluft schmecken.
Weiterhin versteht es Katherine Arden meisterhaft, alte Märchen und Sagen mit Fantasyelementen zu verbinden.
Charaktere
Die Figuren sind allesamt sehr lebendig und vielschichtig, insbesondere die Protagonistin, die gleichzeitig schlau und tapfer, aber eben auch wild, stur und unüberlegt gezeichnet ist.
Wasja gefällt mir weiterhin richtig gut; sie ist eine starke und unabhängige Heldin, die sich gegen die Erwartungen und Einschränkungen der Gesellschaft auflehnt. Es macht sehr viel Spaß, ihre Entwicklung zu verfolgen, auch wenn schon als Mädchen ihr eigenwilliger, aber zugleich mutiger Charakter erkennbar war. Spannend ist auch ihr innerer Konflikt, den Konventionen aus Liebe zu ihrer Familie zu entsprechen und ihnen gleichzeitig entfliehen zu wollen.
Als sie in Gestalt eines männlichen Abenteurers mit Solowej durch die Wälder streift, schossen mir natürlich gleich Mulan-Vibes durch den Kopf.
Der Winterkönig Morosko fasziniert mich immer mehr. Vor allem, weil man sich nie ganz sicher sein kann, ob er nun gut oder böse ist. Ist er wirklich so zynisch oder möchte er einfach nur seine wahren Gefühle verbergen? Außerdem gefällt mir die Dynamik zwischen ihm und Wasja sehr.
Tierischer Held ist natürlich Wasjas treuer und gutmütiger Begleiter Solowej.
Bei ihrem Kampf gegen die Räuberbande trifft Wasja auch wieder auf ihren vermissten Bruder Sasha, der mittlerer Weile Mönch geworden ist, und in Moskau auf ihre Schwester Olga (vor diesem Wiedersehen fürchtet sie sich ein wenig, da sie Angst hat, postwendend verheiratet zu werden, wenn sie sich offenbart).
Meine heimlichen Favoriten bleiben aber die alten Geister, die Haus und Natur beschützen. Wasja ist eine der wenigen verbliebenen Menschen, die sie noch sehen können, denn für die meisten sind sie nur noch Mythen, Sagen und überlieferte Geschichten, mit denen man Kinder zum Gehorsam erziehen will. Doch der zunehmend fehlende Glauben an diese Wesen, lässt auch ihre Kräfte schwinden. Das Christentum wächst und die alten Traditionen verblassen. Mit dieser Komponente bringt Arden sogar noch etwas Philosophisches in den Text mit ein.
Doch die Autorin hat natürlich nicht nur sympathische Charaktere erschaffen. Und Kasjan gibt wirklich einen schauerlichen Antagonisten ab.
Winternacht-Trilogie
Wie der Name verrät, ist es die perfekte Lektüre für die kalte Jahreszeit; idealerweise bei knisterndem Kaminfeuer während eines Schneesturms. In eine Decke eingemummelt bei einer Tasse heißen Kakao, lässt es sich am besten in diese magische Geschichte eintauchen. Da die Handlungen nahtlos ineinander übergehen, empfehle ich dringend, die Bände in der richtigen Reihenfolge zu lesen:
- Band 1: Der Bär und die Nachtigall
- Band 2: Das Mädchen und der Winterkönig
- Band 3: Die Hexe und der Winterzauber
Fazit
„Das Mädchen und der Winterkönig“ ist eine traumhafte Fortsetzung, in der wir noch tiefer in die märchenhafte Welt Katherine Ardens eintauchen. Es war mir ein wahres Vergnügen, Wasjas Geschichte weiter zu verfolgen und mit ihr zu Kämpfen, zu Fürchten und zu Leiden. Das Buch ist voller Spannung, Magie und Abenteuer, handelt aber auch von Themen wie Freiheit, Familie und Traditionen. Für Fans von historischer Fantasy, insbesondere für diejenigen, die Russland und seine Folklore lieben, ist diese Trilogie ein absoluter „must read“.
Bibliografie
Titel: Das Mädchen und der Winterkönig
Autorin: Katherine Arden
Übersetzung: Michael Pfingstl
Verlag und Copyright: Heyne
Seitenzahl: 480
Erscheinungsdatum: 09. November 2020
Preis: 16,99 € (Klappenbroschur)
Ein Gedanke zu „Das Mädchen und der Winterkönig von Katherine Arden“