Die Tochter des Uhrmachers von Kate Morton

Selten hat mich ein Buch, bei dem ich anfangs noch dachte, die Geschichte ist nichts für mich, in der Rückschau so derart begeistert. Ich kann mich nur an ein weiteres erinnern, bei dem es mir ähnlich ging und das war „Ich beschütze Dich“ von Penny Hancock. Der Thriller hat allerdings überhaupt nichts mit dem Genre dieses Romans zu tun.

Sprachstil und Erzählperspektive

Der Schreibstil an sich ist leicht lesbar. Kate Morton bedient sich zum einen eines neutralen Erzählers, um die Ereignisse zu schildern. Zum anderen werden die Geschehnisse der ersten Zeitebene sowie einige Passagen der späteren Handlung aus der Perspektive der Tochter des Uhrmachers in „Ich“-Form erzählt. Vielleicht hat mich dieser Wechsel zu Beginn auch ein Stückweit durcheinandergebracht.

Inhalt

Ich habe mich etwas schwer damit getan, den Inhalt in Worte zu fassen. Es gibt nämlich zahlreiche Zeitebenen und Figuren. Dabei spielt sich fast alles in einem alten Landhaus ab, mit zwei Giebeln und vielen Schornsteinen, umgeben von Wiesen und Wäldern und an einer idyllischen Flussbiegung der Themse gelegen. Birchwood Manor ist neben der Tochter des Uhrmachers die konstante Verbindung zwischen den verschiedenen Zeitebenen. Gleichzeitig haftet ihm etwas sehr mystisches an.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts

…spielt sich die Ursprungsgeschichte der Tochter des Uhrmachers ab. Wie sie ihren Vater wegen einer Krankheit nicht nach Amerika begleiten konnte und er sie schweren Herzens zurückließ, natürlich in dem Versprechen, sie baldmöglichst nachzuholen.
Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, wird sie zur Trickbetrügerin und Diebin ausgebildet und dabei von dem Maler Edward Radcliffe als Muse entdeckt. Ihre Hausmutter und Hehlerin (ich habe keine Idee, wie ich Mrs. Mack besser beschreiben könnte) erkennt sofort das Potenzial dieses Unterfangens und lässt sich die Modelltätigkeit ihres „Mündels“ fürstlich entlohnen. Es kommt, wie es kommen muss: trotz seiner Verlobung verlieben sich Edward und die Tochter des Uhrmachers ineinander und dann nimmt die Geschichte ein tragisches Ende: die Verlobte stirbt und die Geliebte verschwindet spurlos zusammen mit dem unschätzbaren Familienerbstück, dem Radcliffe Blue.

Ende des 19. Jahrhunderts

…beginnt die Geschichte von Ada Lovegrove: in Indien geboren und aufgewachsen wird sie im zarten Alter von 8 Jahren von den eigenen Eltern aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen und nach Birchwood Manor geschickt. Nach Edwards frühen Tod verwandelte seine Schwester Lucy das Anwesen nämlich in ein Mädcheninternat.

1928

…verbringt der junge Doktorand Leonard Gilbert, der über den Maler Edward Radcliffe seine Dissertation verfasst, einige Wochen auf Birchwood Manor. Auch wenn über ihn nur ganz kurz berichtet wird, ist er von großer Bedeutung für die Erklärung der Geschehnisse.

Während des zweiten Weltkrieges

…flüchtet die dreifache Mutter Juliet nach Birchwood Manor, wo sie einst ihre Flitterwochen verbrachte. Dabei liegt das besondere Augenmerk dieses Handlungsstrangs auf der besonderen Freundin ihres jüngsten Sohnes Tip.

2017

Die Geschichte der jungen Archivarin Elodie spielt in der Gegenwart. Sie entdeckt Edward Radcliffes Skizzenbuch und erkennt in Birchwood Manor den Ort einer ihr sehr vertrauten Gute-Nacht-Geschichte wieder. Um das Rätsel, das diesen Fund umgibt, zu lösen, sucht sie das Museum, zu dem Birchwood Manor mittlerer Weile geworden ist, kurzerhand auf und trifft dabei auf Jack, der auf der Suche nach dem verschwundenen Diamanten und der Wahrheit über das tragische Ereignis von damals ist.

Charaktere und Überblick

Jede Zeitebene hat somit ihre eigenen Protagonisten, deren Charaktere sehr detailliert ausgearbeitet und z.T. mit ausführlichen Hintergrundgeschichten ausgestattet sind. Das hat mir ausgesprochen gut gefallen. Allerdings dauert es dadurch recht lange, bis alle Figuren eingeführt sind und man sich in der Vielzahl von Zeit- und Handlungssträngen grob orientiert hat. Wirklich erfassen konnte ich die Zusammenhänge erst nach dem Ende der Lektüre.

Was es mir außerdem erschwerte, den Überblick zu behalten, waren die zahlreichen Rückblicke, die durch die Tochter des Uhrmachers während der anderen Zeitebenen gemacht werden. So wurde ich immer wieder aus der gerade dargestellten Epoche herausgerissen.

Empfehlung: In einem Stück durchlesen!

Mein Fehler lag vermutlich darin, dass ich den Roman zunächst Stückchenweise gelesen habe. Aufgrund der vielen Zeitsprünge, komplexen Figuren und Hintergrundgeschichten, dauerte es jedes Mal einige Zeit, bis ich wieder in der Geschichte war. Daher habe ich mir bei der zweiten Hälfte viel mehr Zeit genommen und sie in zwei Abschnitten durchgelesen. Und endlich konnte auch ich den Zauber spüren, von dem immer alle gesprochen haben und die unglaubliche Atmosphäre, die von Birchwood Manor ausgeht. Ich tauchte vollständig in die Geschichte ab und Charaktere sowie Ereignisse zogen mich derart in den Bann, dass ich alles um mich herum vergaß und erstaunt in die Dunkelheit der heranbrechenden Nacht blickte, als ich wieder in die Realität zurückgekehrt war.

Umfang

Obwohl das Buch mit seinen 600 Seiten schon ein richtiger Schmöker ist, kam mir nicht einmal der Gedanke, eine Passage wäre in die Länge gezogen. Vielmehr hätte ich mir weitere 200 Seiten gewünscht, um mehr über das Leben von Lucy Radcliffe, Ada Lovegrove sowie Elodie und Jack zu erfahren.

Fazit

Die Tochter des Uhrmachers ist kein Roman, der Häppchenweise gelesen werden sollte. Stattdessen muss man der Geschichte ein wenig Zeit geben, sich voll zu entfalten.

Am Anfang kann es also sein, dass man ein wenig Durchhaltevermögen mitbringen muss, aber es lohnt sich wirklich, versprochen!

Ich für meinen Teil vermisse die Charaktere, die ich über einige Lesestunden hinweg begleitet habe sowie Birchwood Manor schon jetzt, kurz nachdem ich das Buch zugeklappt habe.

Infos

Titel: Die Tochter des Uhrmachers

Autorin: Kate Morton

Übersetzung: Charlotte Breuer, Norbert Möllemann

Verlag und Copyright: Diana

Seitenzahl: 608

Erscheinungsdatum: 09. März 2020

Preis: 9,99 € (Klappenbroschur)

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