Enid Blyton – Geheimnis hinter grünen Hecken von Maria Regina Kaiser

In den 1980er und 90er Jahren war unsere kleine Stadtbücherei mein Netflix. Ich glaube, ich habe damals sämtliche Bücher der Kinder- und Jugendabteilung mindestens einmal gelesen. Am liebsten mochte ich Abenteuergeschichten und so habe ich natürlich auch Bekanntschaft mit Enid Blytons Fünf Freunde geschlossen. Doch über die Autorin selbst wusste ich bisher rein gar nichts. Das hat sich nach der Lektüre von „Enid Blyton – Geheimnis hinter grünen Hecken“ gehörig geändert.

Inhaltsangabe des Verlags

„Die Urteile irgendwelcher Menschen über zwölf Jahre interessieren mich nicht“, bemerkt Enid Blyton (1897-1968), die mit spannenden Geschichten Generationen von Kindern zum Lesen motiviert. Als eine der international erfolgreichsten SchriftstellerInnen weiß die Britin genau, wovon Kinder träumen, und bietet ihnen in ihren Büchern attraktive Fluchtwelten, kurzweiliges Lesefutter: Begeistert verschlingen Mädchen und Jungen seit Jahrzehnten die Abenteuer der „Fünf Freunde“ oder der „Schwarzen Sieben“. Und doch polarisiert Enid Blyton, denn so mancher Erwachsene stempelt ihr Werk als trivial ab, kritisiert Sprache und Moral ihrer Texte. Bis heute umgibt die Autorin Geheimnisvolles. Nahezu jeder kennt ihren Namen, hat etwas von ihr gelesen. Verstanden wird Enid Blyton aber von den wenigsten…

Meine Meinung zur Handlung

Ich habe ja schon so einige Romanografien über berühmte Frauen gelesen, aber noch keine, die wie Maria Regina Kaisers „Enid Blyton – Geheimnis hinter grünen Hecken“ einen so allumfassenden Einblick in das Leben der Protagonistin bietet. Das Buch beschränkt sich nicht auf einen Ausschnitt oder legt den Fokus nur auf ihre Beziehungen. Selbst ihre Leidenschaft zu schreiben steht nie losgelöst im Vordergrund, sondern bildet vielmehr das verbindende Element, während je nach Lebenslage eine andere Facette ihrer Biografie in den Fokus rückt. Wir begleiten Enid also durch ihr gesamtes Leben, angefangen bei ihren Kindheitstagen und den ungeliebten Klavierstunden, die sie davon abhalten, Geschichten zu erfinden und die sie nur erträgt, um dem Vater zu gefallen. Wir leiden mit ihr, als er die Familie verlässt, um eine neue zu gründen. Gemeinsam rennen wir zum Briefschlitz, nur um wieder eine Absage auf eingereichte Arbeiten zu erhalten und können es ebenso wenig fassen wie sie, als die Veröffentlichung endlich gelingt. Stolz erfüllt uns ihr mutiger Entschluss dem väterlichen Willen zu widersprechen und eine Laufbahn als Lehrerin einzuschlagen. Es folgen ihre erste Liebe, die K-Frage, spätes Mutterglück, eine Scheidung, eine neue Liebe, nochmalige Schwangerschaft, ein schweres Unglück. Und während all dessen: Gedichte, Theaterstücke und Geschichten.

Der Sprachstil…

von Maria Regina Kaiser erinnert ein wenig an jenen von Kinderbüchern: Kurze einfache Sätze. Das passt einerseits sehr gut zum Thema und lässt mich andererseits den Roman sehr schnell weglesen. Gleichzeitig entwickelt die Atmosphäre bereits auf den ersten Seiten einen solchen Sog, dass ich aus dem Leben von Enid Blyton gar nicht wieder auftauchen mag. Was mir ebenfalls gut gefällt, ist die Stimmung: zeitgemäß und britisch. Versteht ihr was ich meine? Das Empire ist irgendwie immer präsent.

„Es ist so gut, dass unser König mit der Königin und den Prinzessinnen in London bleibt“, meinte Enid.

Maria Regina Kaiser: Enid Blyton – Geheimnis hinter grünen Hecken, S. 182

Aber so flüssig die Geschichte auch geschrieben ist, stellt sich mir bis zum Schluss die Frage, was wahr und was Fiktion ist.

Charaktere

Ich weiß nicht genau warum, aber ich konnte sofort eine enge Verbindung zu der von Maria Regina Kaiser gezeichneten Enid Blyton herstellen. Vielleicht liegt es daran, dass eine Freundin und ich auch mal einen Hasen im Dachgeschoss ihrer Mietswohnung vor ihrer Mutter versteckt haben oder weil mein Vater meinem Wunsch nach einem Haustier mit exakt der gleichen Antwort begegnete, die Thomas Blyton seiner Tochter gab: Tiere leben weit kürzer als Menschen und deren Tod würden wir nicht verkraften.

In meinen Augen gelingt es der Autorin ausgezeichnet, das Wesen von Enid Blyton einzufangen: Auf der einen Seite ein Wildfang, stur und mit Leib und Seele dabei, Schriftstellerin zu werden und zu sein, und auf der anderen Seite der Wunsch nach Anerkennung, stets darum bemüht, nach außen hin jegliche Etikette zu wahren.

All das erschließt sich allerdings erst durch das Nachwort, denn darin erfahren wir bspw., dass eine Scheidung in dieser Zeit für eine Frau einen regelrechten Makel bedeutete. Die einzige Möglichkeit, diesem zu begegnen, bestand darin, entweder den Schein einer guten Ehe zu wahren oder sie gänzlich zu leugnen.

Lest daher bitte unbedingt das Nachwort der Autorin…

denn darin rauscht Maria Regina Kaiser mit uns nochmal durch das gesamte Leben der Ausnahmeautorin, während sie uns (Auto-)biografien, Bekanntschaften und Werke erläutert, auf die sie sich gestützt hat. Wir erfahren weitere Fakten und Anekdoten, insbesondere über die Bücher von Blyton. Allerdings stellt sich mir die Frage, ob man diese Informationen nicht schöner in die Geschichte hätte einfließen lassen können, z.B. dass der Polizist aus den Spürnasen ihrem Exmann nachempfunden wurde oder dass sie „The Princess and the goblin“ 12 mal gelesen hat und daraus die Idee für die Fünf Freunde entstand oder ihr Teamworkgedanke aus Little Women stammte. Auch die zeitgeschichtlichen Herausforderungen, mit denen Enid als Frau zu kämpfen hatte, wären sicher wunderbares Plotmaterial gewesen.

Der umfangreiche Anhang…

lässt erahnen, wie viel Zeit die Autorin mit der Recherche und dem strukturellen Aufbau des Buches verbracht haben muss. Doch er hat noch aus einem ganz anderen Grund eine eigene Erwähnung in dieser Rezension verdient, denn in ihm wird Enids gesamte Biografie noch einmal kurz zusammengefasst und ich kann mir gut vorstellen, dass ich immer wieder mal etwas darin nachschlagen werde.

Insbesondere in der Zeittafel, die einen chronologischen Überblick über ihr Leben bietet und die einzelnen Stationen geschichtlich einordnet.

Oder im Glossar, das mich sofort wieder nach Großbritannien versetzt.

Besonders schön ist auch die Auflistung aller Menschen, die Enid in ihrem Leben begleitet haben. Sie enthält auch einen kleinen Reminder, in welcher Beziehung die jeweilige Person zur Autorin stand. Gleiches gilt für Enids geliebte Tiere und allein dafür liebe ich dieses Buch (aber ich hätte so gern erfahren, wie es Chippy in seinem restlichen Leben wohl ergangen ist. Ich stelle mir vor, er wurde von einem jungen Mann aufgelesen, der ihn seiner alternden Mutter mitbrachte, während er in den Krieg ziehen musste. So blieb sie nicht allein zurück und verwöhnte den Kater trotz entbehrungsreicher Zeiten nach Strich und Faden.)!

Anschließend ziehen noch einmal alle Ortschaften an uns vorbei, die in Enids Leben eine Rolle gespielt haben bzw. die sie besuchte oder an denen sie lebte und arbeitete.

Nicht fehlen dürfen natürlich auch ihre Werke. Es ist wirklich unfassbar, wie viele Arbeiten von ihr zusammenkommen. In manchen Jahren hat sie fast wöchentlich etwas veröffentlicht. Ich kann mir also sehr gut vorstellen, dass man ihr unterstellte, nicht alles selbst verfasst zu haben.

Am Ende gibt es noch ein Literaturverzeichnis und Quellennachweis.

Fazit

Eine im positivsten Sinne ungewöhnliche Romanografie mit einer wirklich schönen Geschichte. Für alle Enid Blyton Fans ein absolutes must-read und für alle anderen die Bekanntschaft mit einer außergewöhnlichen Schriftstellerin.

Kostenloses Rezensionsexemplar

Ich habe dieses Buch als kostenloses Rezensionsexemplar vom Südverlag zur Verfügung gestellt bekommen. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.

Bibliografie

Titel Enid Blyton. Geheimnis hinter grünen Hecken
Autorin: Maria Regina Kaiser
Verlag und Copyright: Südverlag
Seitenzahl: 304
Erscheinungsdatum: 05. September 2022
Preis: 22 € (Hardcover mit Schutzumschlag)

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