Die Jugendbücher von Ursula Poznanski kaufe ich entgegen meiner sonstigen Regel tatsächlich unangelesen und kann trotzdem ziemlich sicher sein, dass sie mir gefallen. Und auch „Oracle“ hat mich nicht enttäuscht!
Klappentext
Ich sehe was, was du nicht siehst, und das wird wahr.
Als Kind hat Julian merkwürdige Visionen. Das sind nur Fehlschaltungen im Hirn, sagt seine Therapeutin, bedeutungslose Trugbilder. Und mit den richtigen Medikamenten sind die auch verschwunden. Jahre später wird Julian mit einer schockierenden Erkenntnis konfrontiert. Einige seiner Visionen scheinen wahr geworden zu sein. Sieht er Schatten, die die Zukunft vorauswirft? Könnte er also schlimme Ereignisse verhindern? Oder tritt er damit noch größere Katastrophen los?
Meine Meinung
Für mich besticht „Oracle“ sowohl durch den Plot als auch die Charaktere, obwohl beides eng miteinander verbunden ist. Wie die Autorin das Thema einer psychischen Krankheit einbringt und mit Thriller-Elementen verknüpft, ist super gelungen. Ursula Poznanski schafft es, die psychologische Grenze zwischen Realität und Fiktion verschwimmen zu lassen. Hat Julian eine Beeinträchtigung oder ist es eine Gabe? Entwickelt sich der Roman in Richtung magischer Realismus?
Der Protagonist wirkt sehr authentisch und ich bin die ganze Zeit nah an ihm dran, bspw. liest es sich so, als wäre ich bei den Therapiesitzungen direkt dabei. Seine gut gezeichnete Hintergrundgeschichte rundet seinen Charakter ab und macht den Plot insgesamt sehr stimmig. Auch seine Krankheit sowie deren Auswirkungen auf ihn und sein Umfeld wirken authentisch und sehr gut recherchiert.
Neben Julian spielen noch sein Mitbewohner, einige College-Freunde, ehemalige Schulkamerad*innen, seine Eltern und seine Therapeutin größere Rollen, die allesamt lebensecht und für den Handlungsfortschritt ausreichend detailliert gezeichnet sind.
Ich fand insbesondere die Interaktion von Julian mit den anderen, seine zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die Herausforderungen, vor die ihn die Krankheit oder Gabe stellt, sehr gelungen. Wenn ihr eine Fähigkeit hättet, andere vor Gefahren zu warnen, dafür aber evtl. als verrückt zu gelten, oder Tabletten zu nehmen, um die Fähigkeit zu unterdrücken; was würdet ihr tun?
Der Schreibstil ist wie immer grandios: Bildhaft und so spannend, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann. Und ebenfalls wie gewohnt hat man das Gefühl, Teil der Gruppe und des Romans zu sein.
Mit dem Twist zum magischen Realismus wird der Roman mehr und mehr zum Thriller und dann gelingt Ursula Poznanski noch eine sehr raffinierte Auflösung, mit der ich wirklich nicht gerechnet hätte. Damit dreht sie die Handlung wieder in Richtung Realität, so dass mir Zweifel kommen, ob so etwas nicht doch auch in echt möglich ist…
Fazit
Auch wenn „Oracle“ nicht an „Erebos“ heranreicht, ist es ein sehr empfehlenswertes spannendes Jugendbuch, das ich ganz schnell verschlungen habe.
Bibliografie

Titel: Oracle
Autorin: Ursula Poznanski
Verlag & Copyright: Loewe
Seitenzahl: 432
Erscheinungstermin: 2023
Preis: 22 € (Hardcover)