Der Fall des Präsidenten von Marc Elsberg

Die Bücher von Marc Elsberg lese ich schon seit „Blackout“ immer ungesehen, sobald sie erscheinen. Und bisher wurde ich noch nicht enttäuscht (na gut, Gier hat schon etwas geschwächelt).

Ich hatte schon immer ein Faible für Wissenschaftsthriller, aber dieser schafft es wirklich, die kompliziertesten Sachverhalte verständlich in eine spannende Geschichte zu verpacken. Was sie so gruselig macht, ist das Gefühl, dass sich jede einzelne genauso abspielen könnte.

Klappentext

Nie hätte die Juristin Dana Marin geglaubt, diesen Tag wirklich zu erleben: Bei einem Besuch in Athen nimmt die griechische Polizei den Ex-Präsidenten der USA im Auftrag des Internationalen Strafgerichtshofs fest.
Sofort bricht diplomatische Hektik aus. Der amtierende US-Präsident steht im Wahlkampf und kann sich keinen Skandal leisten. Das Weiße Haus stößt Drohungen gegen den Internationalen Gerichtshof und gegen alle Staaten der Europäischen Union aus.
Und für Dana Marin beginnt ein Kampf gegen übermächtige Gegner.
So wie für ihren wichtigsten Zeugen, dessen Aussage den einst mächtigsten Mann der Welt endgültig zu Fall bringen kann, und dem die US-Geheimdienste bereits dicht auf den Fersen sind. Währenddessen bereitet ein Einsatzteam die gewaltsame Befreiung des Ex-Präsidenten vor…

Meine Meinung zur Handlung

Also ob man es überhaupt schaffen kann, unbeschadet an der Security eines ehemaligen US-Präsidenten vorbeizukommen, um ihn zu verhaften, ist natürlich fraglich. Doch alles Weitere; sowohl die Reaktionen der USA als auch Griechenlands, die dargestellten Machtverhältnisse (á la David gegen Goliath) und die daraus resultierende Ohnmacht bzw. Hilflosigkeit des ICC sowie aller Beteiligter auf Seiten der Anklage sind weder unlogisch noch wirken sie konstruiert.

Durch die Wahl eines ehemaligen Präsidenten der USA als „Bösewicht“ scheint der Politthriller zeitlos. Die Handlungsweise würde man diesem Land unabhängig von der Epoche jederzeit zutrauen. Die Aktualität entsteht durch geschickt eingeflochtene Bezüge zur Corona-Krise und neueste technische Möglichkeiten.

Dem Thriller fehlt es nicht an Action – so gibt es bspw. wieder eine obligatorische Verfolgungsjagd – Spannung erzeugt der Autor aber eher durch realistische Handlungsstränge und Kopfkino (was würde es auslösen, wenn ein US-Spezialteam beim Versuch ihren Ex-Präsidenten aus einem griechischen Gefängnis zu befreien, Wachpersonal verletzen oder gar töten würde)?

Charaktere

So komplex die verschiedenen Handlungsstränge, so zahlreich sind die Charaktere. Bei Marc Elsberg braucht es aber immer etwas, um die Figuren zu sortieren und den Überblick einzelner Perspektiven zu behalten.

Der Charakter des ehemaligen US-Präsidenten Douglas Turner soll lt. dem Autor auf einer Mischung der letzten drei US-Präsidenten, also Trump, Obama und Bush basieren. Diesen Mix fand ich recht spannend.

Die angedeutete Romanze der Protagonistin lockert die Geschichte auf und trägt gleichzeitig dazu bei, überall Misstrauen zu schüren. Wer kann wem vertrauen?

Sprachstil

Trotz der 600 Seiten habe ich das Buch an wenigen Abenden weggesuchtet. Man könnte meinen, die juristischen Begriffe hemmen den Lesefluss, aber das ist überhaupt nicht der Fall. Stattdessen wird ein Spannungsbogen aufgebaut, der einen durch die Seiten fliegen lässt. Gleichzeitig sind die politischen und rechtlichen Schachzüge so interessant, dass man zum sorgfältigen Lesen angehalten wird.

Die Geschichte ist wie immer ausgezeichnet recherchiert. Wie ich aus einem Interview erfahren habe, begleitet den Autor bei jedem Buchprojekt eine Expertin oder ein Experte aus der jeweiligen Wissenschaftsdisziplin; im Fall des vorliegenden Buches nicht nur im Hinblick auf internationales Recht sondern auch bezüglich der Denk- und Verhaltensweisen von Juristen.

Wissenschaftsgenre: Politik, Recht, Geschichte und Technik

„Der Fall des Präsidenten“ bietet ein Potpourri sich überlagernder Wissenschaftsdisziplinen, auch wenn es oberflächlich betrachtet vorwiegend um internationales Recht zu gehen scheint.

Darüber habe ich auch viel gelernt, insbesondere wie schwer es sein muss, dieses gegen politisches Interesse durchzusetzen. Aber es wird auch deutlich, wie komplex unsere globalisierte Welt geworden ist und in welchen Abhängigkeiten sich Länder und Menschen befinden können. Die USA fahren jedenfalls jegliche Mittel auf, um Griechenland dazu zu bewegen, den ehemaligen US-Präsidenten freizulassen bzw. den ICC dazu zu bewegen, die Anklage fallen zu lassen.

Besonders erschreckend war es für mich persönlich festzustellen, wie wenig ich doch über das ehemalige Jugoslawien, Afghanistan und grds. den Nah-Ost Konflikt weiß. Dabei sollte man doch annehmen, dass man über das jüngere Kriegsgeschehen mehr weiß als über zwei lang zurückliegende Weltkriege…

Whistleblower

Die Bücher von Marc Elsberg wirken immer nach. Also bei mir zumindest. Nach Blackout haben wir begonnen, unsere Vorratskammer zumindest immer so weit zu füllen, dass wir zwei Wochen ohne Strom, Wasser und Supermarkteinkäufe über die Runden kämen. Mit der Zeit verblasste jedoch die Erinnerung an die Geschichte und wir kauften wieder „Just in Time“. Mit Beginn der Covid-19 Pandemie fanden wir uns dann tatsächlich selbst in einem Wissenschaftsthriller wieder und haben erlebt, wie es auch ohne Cyberangriffe oder Atomkrieg zu einem „Abgeschnittensein“ von täglichen Versorgungsgütern kommen kann, weil man wegen eines dämlichen Virus vom Gesundheitsamt in Quarantäne gesteckt wird. Strom und Wasser fließen zwar noch, der Supermarkt ist aber trotzdem unerreichbar…

Im „Fall des Präsidenten“ geht es um die Frage, ob man mit Informationen, die ein (vorsätzliches?) wirklich schwerwiegendes Fehlverhalten der Regierung (wie bspw. Kriegsverbrechen) beweisen würden, an die Öffentlichkeit gehen würde? Auch auf die Gefahr hin gejagt, verleumdet und mit jeglichen Mitteln (Mund-)tot gemacht zu werden.

Das Buch nimmt Bezug auf sog. Deepfakes (also mittels KI gefakte, aber ausgesprochen authentisch wirkende Fotos, Videos oder Sprachaufnahmen), durch die eine Anklage oder auch nur Bestätigung eines Haftbefehls des ICC ohne persönlicher Zeug*innen chancenlos erscheint.

D.h. wirklich anonym könnte man nicht bleiben.

Also, wie würdet ihr euch entscheiden? Und würdet ihr mit solchen Informationen zur Polizei gehen oder euch an die Medien wenden?

Filmtipps

Das Buch liefert sogar noch einige interessante Serien- und Filmtipps über Whistleblower. „Fair Game“ habe ich mir direkt angesehen und war fassungslos…

Fazit

Ein hervorragend recherchierter Politthriller mit einer gruselig-faszinierenden Storyline, authentischen Figuren und einer guten Balance aus Spannung, Action und Information.

Eine klare Leseempfehlung (für Marc Elsberg Fans sowieso).

kostenloses Rezensionsexemplar

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Bloggerportal zur Verfügung gestellt. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.

Infos

Titel: Der Fall des Präsidenten

Autor: Marc Elsberg

Verlag und Copyright: Blanvalet

Seitenzahl: 608

Erscheinungstermin: 01. März 2021

Preis: 24 € (Hardcover)

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