Nur wenn Du allein kommst von Souad Mekhennet

Ich befürchte dieser mutigen, authentischen und spannenden Autobiografie kann keine Rezension gerecht werden. Dennoch möchte ich versuchen, euch dieses Buch näherzubringen und zu erläutern, warum es mich so umgehauen hat, dass ich es am liebsten allen empfehlen will.

Klappentext

Was passiert hinter den Fronten des Jihad? Wie ticken Warlords und jugendliche Attentäter? Spannend wie in einem Krimi berichtet Souad Mekhennet von ihren teils lebensgefährlichen Recherchen in den No-go-Areas des Terrors, allein, ohne Handy, bekleidet mit einer schwarzen Abaya. Die Journalistin Souad Mekhennet verfügt über ungewöhnliche Verbindungen zu den Most Wanted des Jihad – und über ein einzigartiges investigatives Talent. Sie deckte die Entführung und Folterung des Deutsch-Libanesen Khaled al-Masri durch die CIA auf, interviewte den Führer von al-Qaida im Maghreb, obwohl ihr die Geheimdienste auf den Fersen waren, lernte ein ägyptisches Foltergefängnis unfreiwillig von innen kennen, enttarnte den berüchtigten IS-Henker „Jihadi John“ und wusste nach den Pariser Anschlägen schon vor der Polizei, wer der in Saint Denis erschossene Attentäter war. Ihre meisterhaften Nahaufnahmen lassen uns die Kämpfe und Wünsche der islamischen Welt besser verstehen und führen uns heilsam vor Augen, dass sich der Clash zwischen Islam und Westen in Wirklichkeit nur in den Köpfen abspielt.

Genre

Bei Autobiografien bin ich immer etwas skeptisch, allerdings kann man bei einer Journalistin natürlich schon mal davon ausgehen, dass sie schreiben kann. Aber das Tolle an „Nur wenn Du allein kommst“ ist, dass die Autorin sich perfekt darauf versteht, ihre Geschichte als Hintergrund und Kontext zu verwenden, statt sich in den Vordergrund zu stellen. Dadurch ist es gleichzeitig auch ein Sachbuch, aus dem ich sehr viel über den Nah-Ost-Konflikt gelernt habe. Am besten lässt sich das Buch wohl als eine zeitgenössische autobiografische Reportage beschreiben.

Dabei lesen sich die Länder Ihrer Recherchestationen wie aus 1001 Nacht, gleichzeitig kennt man sie aus schockierenden Nachrichtenberichten. Umso interessanter finde ich die Eindrücke, die Souad Mekhennet sammelt.

Einen Roman mit diesem Plot hätte vermutlich jeder Verlag abgelehnt mit der Begründung, dass die Geschichten niemand für glaubwürdig halten würde.

Sprachstil

Durch die intensive Thematik und die vielen Informationen muss man jedoch erstmal den richtigen Rhythmus für die Lektüre finden. In einem Rutsch war es mir zu heftig, bei zu großen Abständen dauert es aber etwas, wieder reinzukommen.

Doch auch wenn die Thematik hochkomplex ist, lässt sich das Buch gut lesen. Der Autorin gelingt es, eine Atmosphäre zu schaffen, als würde sie mir persönlich bei einer Tasse Tee von ihrer Arbeit erzählen und zahlreiche von mir unausgesprochene Fragen beantworten. Ich musste sogar ein ums andere Mal Schmunzeln, bspw. bei der Vorstellung, dass der ägyptische Geheimdienst einen Ratgeber für Singlefrauen auf ihrem konfisziertes E-Book durchgeblättert (oder sogar gelesen?) hat…

Autorin

Ich habe mir noch nie besonders große Gedanken über Journalist:innen im politischen Bereich gemacht, aber ich finde es unglaublich mutig und bewundernswert, wie hartnäckig die Autorin versucht, die wahren Hintergründe für die Anziehungskraft des Jihad aufzudecken und wie objektiv sie dabei bleibt. Eins wird dabei mehr als deutlich: Die Welt teilt sich nicht in Schwarz und Weiß, in Gut und Böse.

Die Autorin verfügt über ein unfassbares Netzwerk und fast schon unheimlichen Zugang zu den meist gesuchtesten Männern des Jihad (weswegen sie wohl auch öfter von den Geheimdiensten ins Visier genommen wird). Dabei bin ich immer wieder erschrocken, welche Vorsichtsmaßnahmen und was für Kontakte für ein Interview erforderlich sind und wie oft sie Todesangst gehabt haben muss.

In ihren Berichten beschönigt sie nichts und ist dennoch bemüht, Brücken zu bauen, in dem sie uns andere Sichtweisen näherbringt. Bewundernswert objektiv, ja fast schön nüchtern, bietet sie uns in ihrem Buch nicht nur Einblicke in die verschiedenen Kulturen, Sitten und Gebräuche sondern auch in die verschiedensten Weltanschauungen – auch jenen, die mir eine Gänsehaut machen.

Nachhall

Wenn ich eins gelernt habe, dann dies: Die Schreie einer Mutter, die ihr getötetes Kind beweint, klingen immer gleich, egal ob sie nun schwarz, braun oder weiß, Muslimin, Jüdin, Christin, Schiitin oder Sunnitin ist. Wir werden alle in derselben Erde begraben.

Souad Mekhennet: Nur wenn Du allein kommst, S. 363

Dieses Zitat hat mich ebenso bewegt wie mich die Autorin inspiriert hat. Ich möchte ebenso versuchen, objektiv und gleichzeitig kritisch zu sein. Und vor allem besser zuzuhören; egal mit wem ich spreche.

Fazit

„Nur wenn Du allein kommst“ ist eine wirklich beeindruckende Autobiographie, die noch dazu unterhaltsam und fesselnd geschrieben ist. Ich bin der Autorin sehr dankbar, dass sie mich literarisch an ihren Erfahrungen in Krisengebieten hat teilhaben lassen.

Zu versuchen, die dargestellten Zusammenhänge zu begreifen, ist anstrengend und oft überfordern mich Namen, Länder und Beziehungen/Verwicklungen. Ich bin weit davon entfernt, jemandem den Nah-Ost Konflikt erklären zu können. Aber ein Stück näher dran, ihn einordnen zu können.

Daher empfehle ich dieses Buch allen, die etwas über die wahren Hintergründe des Terrors erfahren möchten.

kostenloses Rezensionsexemplar

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Bloggerportal zur Verfügung gestellt. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.

Infos

Titel: Nur wenn Du allein kommst
Autorin: Souad Mekhennet
Verlag und Copyright: Penguin Verlag
Seitenzahl: 384
Erscheinungsdatum: 10. Juni 2019
Preis: 12 € (Taschenbuch)

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