In diesem Buch begleiten wir die 77jährige Heidi Hetzer auf einer Reise um die Welt mit ihrem Oldtimer Hudo. Dabei begibt sie sich auf die Spur von Clärenore Stinnes, die bereits 1928 eine solche Tour gemacht hat. Erwartet habe ich also einen unterhaltsamen Roman mit vielen interessanten Begegnungen und Anekdoten sowie natürlich auch zahlreiche Einblicke in fremde Kulturen, Länder und Leute. Ein wenig wie bei den Couchsurfing Büchern von Stephan Orth ergänzt um die zwei ungewöhnlichen Hauptdarsteller Heidi und Hudo. Doch auch, wenn sowohl diese Reise als auch ihr gesamter Lebensweg beeindruckend zu verfolgen ist, fehlte mir leider die nötige Autobegeisterung. Dass dies das Hauptthema der Reise ist, hätte man sich natürlich denken können, aber dass sich wirklich alles darum dreht… Es macht die Geschichte irgendwie monoton. Langweilig möchte ich gar nicht sagen. Es wurde einfach uninteressant.
Klappentext
„Alter schützt vor Leben nicht“, lautete Heidi Hetzers Motto als sie 2014 mit einem Oldtimer auf eigene Faust zu einer Reise um die Welt aufbrach. Schon früh schwamm sie gegen den Strom, als sie sich mit der klassischen Frauenrolle in den Fünfzigerjahren nicht zufriedengab und regelmäßig Rallyes fuhr. Über achtzig spannende Jahre dauerte Heidi Hetzers Lebensreise – gekrönt von einer abenteuerlichen Expedition durch sechsundvierzig Länder. Eine Tour de Force voller Pannen und Hindernisse, voller Erlebnisse und Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen. Inspirierend, kraftvoll, Mut machend!
Weltreiseatmosphäre?
Da es weniger um Orte als um Menschen und insbesondere um deren Begeisterung für Hudo und die alte deutsche Dame geht, die da die Welt umrundet, wird es leider nach einiger Zeit eintönig. Weil die spezifische Atmosphäre der einzelnen Länder nicht rüber kommt, werden die Stationen ebenso austauschbar wie die Begegnungen. Letztere sind i.d.R. positiv, unterscheiden sich aber nur noch in der Kreativität der Mechaniklösung. Mir kommen die Gegenden, Landschaften und Sehenswürdigkeiten einfach zu kurz. Heidi Hetzer hetzt mir zu viel. Sie will immer nur fahren, Strecke machen, und das ist so gar nicht meins. Ein Auto ist für mich ein Transportmittel, ich will damit irgendwohin kommen, aber nirgendwo weg, nur um wieder am Lenkrad und auf der Straße zu sein. Ein Beispiel: Sie schreibt, sie hätte einen Tauchschein, und trotzdem nimmt sie sich nicht die Zeit in Australien, an einem der schönsten Tauchreviere der Welt, einen kurzen Blick in die Tiefe zu werfen? Weil sie stattdessen lieber bei über 30 Grad in einem Oldtimer ohne Klimaanlage fährt? Ohne Worte…
Der Sprachstil…
lässt sich wohl reduzieren auf Berliner Schnauze… Das sollte man mögen.
Dabei fasst folgendes Zitat das Buch ganz gut zusammen:
Ich hoffe nur, ich habe zwischendurch nicht zu viel von Kolbenfressern und gerissenen Zylinderköpfen gequasselt.
S. 213
Handlung
Es geht tatsächlich sehr viel um Mechanik, Technik und alles Motorisierte. Vielleicht habe ich deshalb sehr lange an dem Roman gelesen. Er hat nicht wirklich nach mir gerufen. Stattdessen hätte ich mir gewünscht, dass man etwas mehr darüber erfährt, mit welchen Widrigkeiten sie als Frau auf ihrem ungewöhnlichen Lebensweg zu kämpfen hatte. Es gibt zwar einige wenige Rückblicke, die Blitzlichter auf ihre Kindheit und ihren Werdegang werfen, doch hätte ich einfach gern mehr erfahren über die Frau, die ihr ganzes Leben gegen den Strom schwimmt und sich in typischen Männerdomänen behauptet, sei es als KFZ-Mechanikerin, Ralleyfahrerin oder Managerin eines Autohauses.
Unwirklich
Was deutlich wird: eine solche Reise ist ohne Beziehungen nicht möglich. Ein Botschafter hier, ein Herr Dr. Oetcker da, was hätte sie wohl ohne ihr scheinbar endloses Netzwerk getan?
Dabei ist wirklich beeindruckend, wie viele Personen sie bereits durch ihre Karriere kennt, aber auch wie viele Türen ihr Hudo, ihre Offenheit und Liebe zur Automechanik, in aller Herren Länder öffnet.
Und dennoch: die Hand von Eisenhower in Disney World schütteln, mit Frank Sinatra eine Runde in seinem Privatflugzeug drehen und den Rolls Royce von John Lennon bewundern – das wirkt so unwirklich.
Die Wendung
Man begleitet Heidi Hetzer nicht nur um die Welt, sondern auch ein Stückchen zu einem ruhigeren Selbst. Die Reise hat sie definitiv verändert und diese Erfahrung teilt sie mit den Leser*innen. Ich habe mir von Anfang an gewünscht, sie würde nicht so hetzen, sondern sich Zeit nehmen für all die Orte, die diese Reise rechts und links von der Straße für sie bereithält. In der zweiten Hälfte gelingt ihr genau das und da kam dann auch der Punkt, an dem das Buch für mich wieder interessant wurde, denn jetzt wusste man auf jeder Seite, wo sie war; Begegnungen und Örtlichkeiten hörten auf austauschbar zu sein.
Fazit
In der Danksagung beschreibt Heidi Hetzer, was den Anstoß zu diesem Buch gegeben hat und ich denke genau das ist es Schlussendlich auch geworden:
Mama, du musst ein Buch schreiben. Du hast so viel erlebt, und ich kenne diese Geschichten alle schon, aber ich kann sie mir nicht merken. Ich möchte aber, dass meine Kinder wissen, was für eine außergewöhnliche Oma sie haben.
S. 363
Der Autor Marc Bielefeld (ich finde es übrigens sehr schade, dass sein Name nicht auf dem Cover genannt wird), hat sich sehr bemüht eine kurzweilige Lektüre zu kreieren und so beginnt das Buch auch interessant und vielversprechend, aber da sich die Handlung (Hudo macht irgendwelche Probleme, diese werden gelöst und es geht weiter) Land für Land wiederholt, wird es leider schnell monoton. Erst als Heidi aufhört zu hetzen und sich Zeit nimmt, ihre Umgebung war zu nehmen, nimmt die Geschichte zum Ende hin doch noch einmal Fahrt auf.
Dabei ist Heidi Hetzers Leben in mehr als nur einer Hinsicht außergewöhnlich. Ihr Mut und ihr Wille alles zu erreichen, was sie sich in den Kopf setzt – sei es noch so unkonventionell– ist bemerkenswert. Aber auch ihre weitreichenden Kontakte erscheinen nicht alltäglich.
Ich würde dieses Buch insbesondere Autoliebhaber*innen empfehlen, ansonsten kann es schnell langweilig werden, da wirklich immer das Fahren und die Technik im Vordergrund stehen.
Kostenloses Rezensionsexemplar
Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Bloggerportal zur Verfügung gestellt. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.
Infos
Titel: Ungebremst leben: Wie ich mit 77 Jahren die Freiheit suchte und einfach losfuhr
Autorin: Heidi Hetzer
Verlag und Copyright: LUDWIG
Seitenzahl: 368
Erscheinungsdatum: 10. September 2018
Preis: 11,99 €