Winteraustern von Alexander Oetker

Winteraustern ist der dritte Teil der Krimireihe um Commissaire Luc Verlain, die im französischen Aquitaine spielt. Die ersten beiden Bücher „Retour“ und „Château Mort“ habe ich in einem Happs verschlungen. Und nicht anders erging es mir mit diesem Buch. Aufmerksam geworden bin ich auf den ersten Band über das Cover, das so schön nach Strand und Frankreich aussieht. Das des dritten Teils steht dem aber in nichts nach, da möchte man am liebsten gleich selbst mit zum Austernfischen rausfahren! Und das, obwohl ich normalerweise keine Foto-Cover mag, aber dieses hier wirkt fast wie gemalt, die Farben sind unglaublich schön und das Motiv passt super zum Thema.
ACHTUNG, die folgenden Abschnitte enthalten SPOILER zu Band I und II!

Charaktere

Commissaire Luc Verlain mochte ich schon von Beginn an. Allein der Aufhänger, aus Paris in seine Heimat Aquitaine zurückzukehren und sich um seinen krebskranken Vater Alain zu kümmern, macht ihn furchtbar sympathisch. In „Winteraustern“ spielt dieser auch eine größere Rolle, sowohl im privaten als auch im kriminalistischen Handlungsstrang. Dabei beschreibt Alexander Oetker gekonnt den liebevollen Umgang zwischen Vater und Sohn. An Alain gefällt mir besonders, dass er seinen Sohn nicht dazu gedrängt hat, ein Austernfischer wie er selbst zu werden, sondern ihm ermöglicht hat, seine eigenen Träume zu verwirklichen.

Und ja, ich bekenne mich schuldig: ich LIEBE romantische Nebenstränge in Krimis. Daher gefällt mir die Liebesgeschichte zwischen Luc und seiner Kollegin Anouk auch so sehr. Insbesondere, dass der Autor Lucs Verliebtheit in den Vordergrund stellt. Das kenne ich sonst oft nur aus der umgekehrten Perspektive.

Doch es gibt nicht nur ein Wiedersehen mit Alain und Anouk. Im ersten Teil noch Lucs Widersacher, lernen wir die Figur des Commissaire Etxeberria (aber jetzt mal im Ernst, wer denkt sich denn so einen Namen aus? Hätte man da nicht einen aussprechbareren Namen wählen können? Das hemmt echt meinen Lesefluss…) von einer ganz anderen Seite kennen. Und die gefällt mir richtig gut. Authentisch schließt er mit dem Vergangenem ab und zeigt große Charakterstärke.

Inhalt

Luc fährt mit seinem Vater Alain raus aufs Bassain, um den Sonnenaufgang zu beobachten, doch leider wird es nicht ganz der beschauliche Ausflug, den sie sich vorgestellt haben: einer der Austernfischer wurde überfallen und auf einer Sandbank ausgesetzt. Sie können ihn gerade noch rechtzeitig retten, bevor die Flut einsetzt. Zwei Söhne weiterer Austernfischer hatten nicht so viel Glück: Sie wurden geradezu hingerichtet. Doch warum? Wer hätte ein Interesse daran? Gehörten sie etwa zu den Austerndieben, die hier im Bassain ihr Unwesen treiben? Ihre Familien leben in Armut, ein Motiv gäbe es also. Oder hängt es mit Chevalier zusammen, dem Platzhirsch, der nach und nach alle Austernbänke – auch die von Lucs Vater – aufkauft? Oder steckt etwas vollkommen anderes dahinter? Die Auflösung ist so trivial wie überraschend.

Im persönlichen Handlungsstrang des Commisssaires stellt eine mögliche Beförderung Anouk und Lucs immer noch frisches Liebesglück auf eine harte Probe. Und gerade als diese Hürde genommen scheint, haut Oetker einen solchen Cliffhänger raus, dass ich nicht weiß, ob mir das Ende wirklich gefallen hat.

Mein einziger Kritikpunkt an „Winteraustern“ sind die spärlichen Rückblenden. Obwohl ich die ersten beiden Teile kenne, fehlen mir ab und an einige Eckdaten oder Ereignisse. Dazu kommt, dass sich ein Rückblick innerhalb weniger Seiten nahezu identisch wiederholt.

Zur Reihe

Grundsätzlich sind die Kriminalgeschichten alle in sich abgeschlossen, so dass man die Bücher auch einzeln lesen könnte. Charaktere und Nebenstränge entwickeln sich jedoch über die Bände hinweg und der Autor quält uns mit Cliffhängern. Ich wollte immer gleich wissen, wie es weitergeht und würde daher auch empfehlen mit dem ersten Band „Retour“ zu beginnen.

Die Spannung baut sich nicht unerwartet langsam auf. Dennoch war der Roman für mich ein Pageturner, wenngleich mich eher das persönliche Glück der beiden Hauptfiguren interessiert hat, als die Auflösung des Verbrechens. Das fasst übrigens die Romane um Luc Verlain grundsätzlich sehr gut zusammen, denn die Kriminalgeschichten sind nicht der Grund, warum ich sie lese. Es sind die liebevoll gezeichneten Charaktere und deren Handlungsstränge, die atmosphärische Beschreibung der Ortschaften, die ausschweifende Darstellung der kulinarischen Genüsse, die mir das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Straftaten und Ermittlungsprozess sind nur das Band, das dies alles zusammenhält. Wer jedoch den Fokus auf den Kriminalfall legt und mit den persönlichen Geschichten der Charaktere nichts anzufangen weiß, ist bei dieser Reihe definitiv falsch.

Reisetipp

In „Winteraustern“ schafft es Alexander Oetker wieder, eine ganz besondere Stimmung beim Lesen aufkommen zu lassen. Es war, als könnte ich die nasse Kälte selbst spüren und den Schnee schmecken. In jedem Fall hat der dritte Band meinen Wunsch verstärkt, nach Aquitaine zu reisen. Ich bin kein Fan von Mahlzeiten, die aus dem Wasser kommen, daher wusste ich bislang nicht viel über Austernzucht. Umso interessanter war es für mich, etwas über das harte Leben und die Arbeit von Austernfischern zu erfahren. Insbesondere wenn es so gekonnt in die Geschichte eingefügt wird wie hier. Daher würde ich es sogar wagen, Austern eine Chance zu geben und dem Tipp des Autors zu folgen, Fabrice Vigier im Le Routioutiou zu besuchen und sie zumindest zu probieren.

Fazit

Sympathische Charaktere, Kulinarik, atmosphärische Ortsbeschreibungen, wissenswertes über die Austernzucht und ein interessanter Kriminalfall zusammengestellt in einem leicht zu lesendem flüssigen Sprachstil. Was will man mehr? Für mich daher ein rundum gelungener Band einer schönen Krimireihe. Ich bin gespannt auf den vierten Teil.

Kostenloses Rezensionsexemplar

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar von Vorablesen.de kostenlos zur Verfügung gestellt. Dies beeinträchtigt in keiner Weise meine Bewertung.

Infos

Titel: Winteraustern

Autor: Alexander Oetker

Verlag und Copyright: Hoffmann und Campe

Copyright Umschlagfoto: Jean-Chrostophe Depaire

Erscheinungsdatum: 04.11.2019

Seitenanzahl: 320

Preis: 16 € (Klappenbroschur)

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