Wohlfühlgewicht von Mareike Awe

Dieses Buch wurde in meiner Wahrnehmung so gehypt, dass ich wirklich traurig war, als ich nicht für die Lovelybooks Leserunde ausgewählt wurde. Daher kam ich nicht umhin, mir das Buch selbst zu besorgen. Aber ehrlich gesagt, kann ich gar nicht genau sagen, wie ich es nun gefunden habe…

Sprachstil

Der Sprachstil ist locker und leicht lesbar. Die Autorin spricht die Leserinnen direkt mit „du“ an, was etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber bei dieser Art von Büchern finde ich es durchaus passend.

Medizinische Fachbegriffe

Ich fand es etwas schade, dass kaum medizinische Fachbegriffe verwendet wurden. Auch wenn dies sicher zur Lesbarkeit beiträgt, hätte ich mir an mancher Stelle etwas detailliertere Darstellungen gewünscht. Aber es gibt zahlreiche Quellenangaben für die vertiefende Lektüre, die ich mir sicher mal näher ansehen werde.

Aufbau

Das Buch ist so aufgebaut, dass die Autorin entlang ihres persönlichen Weges zur „intuitiven Esserin“ das Prinzip, einige medizinische Hintergründe sowie Tipps und Übungen erläutert. Und manchmal hat sie mit ihren Erfahrungen und Gedanken genau das beschrieben, was mir beim Lesen des Abschnitts auch gerade durch den Kopf ging.

Intuitives Essen

Die Autorin geht von der Annahme aus, dass unser Körper selbst am besten weiß, welche Nahrungsbausteine wann gut für uns sind und dementsprechend unseren Appetit steuert. Wir müssten nur wieder lernen, die Sprache unseres Hungers zu verstehen und auf ihn zu hören.

Dabei wird zwischen körperlichem und emotionalem Hunger unterschieden. Ebenso spannend wie logisch fand ich die Aussage, dass letzterer, also wenn wir bspw. aus Langeweile oder Frust futtern, gar nicht mit Nahrungsmitteln gestillt werden kann. Das erklärt dann auch die leere Tüte Chips, wenn ich eine Folge meiner Lieblingsserie weggesuchtet habe. Wobei ich die Theorie des Knabbersüchtigen Hausgeistes noch nicht ganz verwerfen möchte…

Die größte Herausforderung besteht also darin, den emotionalen Hunger zu identifizieren und vor allem zu erkennen, was mir gerade fehlt: Unterhaltung? Frische Luft? Bewegung?

Des Weiteren wichtig für den Erfolg ist der perfekte Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme. D.h. man isst dann, wenn man weder zu wenig noch zu viel körperlichen Hunger hat und verfährt mit dem Sättigungsgefühl genauso. Die Umsetzung dieses Ansatzes halte ich in der Praxis jedoch für problematisch, denn ich könnte mir vorstellen, dass es sich nicht mit jeder Arbeits- oder Familiensituation vereinbaren lässt.

Und wenn man sich dann noch keinerlei Lebensmittel (ja, auch Schokolade…) verbietet, würde man weniger essen.

Das Geheimnis scheint darin zu liegen, das Essen zu zelebrieren, also langsam und achtsam zu speisen. Nur ohne Ablenkungen, wie bspw. Fernsehen, Lesen, Arbeiten oder auf dem Smartphone rumdaddeln, könne man auf seinen Körper hören und ihn richtig verstehen.

Übungen

Zu jedem Kapitel gibt es einige Übungen, mit denen ich jedoch ehrlich gesagt nicht viel anfangen konnte. Meistens habe ich gar nicht erst verstanden, was die Autorin von mir wollte.

Intuitives Körpergefühl…

Es wird propagiert, sich weder zu wiegen noch Kalorien zu zählen. Die Gedanken sollen nicht den ganzen Tag ums Essen kreisen.
Nun trage ich seit einigen Monaten eine Fitnessuhr, wiege mich täglich mit einer Körperfettwaage und gebe alles, was ich gegessen habe, in die dazugehörige App ein, um Kalorienverbrauch und -aufnahme zu verfolgen. Das steht alles im krassen Gegensatz zu den Ideen der Autorin und dennoch habe ich über diesen Weg zu einem – meiner Ansicht nach – sehr gesunden Körpergefühl gefunden. Insbesondere wird der emotionale Hunger deutlich, wenn abends regelmäßig 30 Gramm Chips aufgeführt werden (die restlichen 20 hat sich der Hausgeist einverleibt).

Das Buch ist Teil einer größeren Marketingmaschinerie

Was mich etwas gestört hat, waren die häufigen und optisch zumeist sehr auffälligen (türkise Fettschrift) Verweise auf weiterführende Produkte der Autorin, ihren YouTube-Kanal, Podcasts und ihr kostenpflichtiges Online-Coaching-Programm. Es gibt zwar auch einen kleinen kostenlosen Bonus-Bereich zum Buch auf ihrer Homepage, aber als ich bspw. den Selbsttest durchgeführt habe, welcher Essenstyp ich bin, musste ich erstmal meine Email-Adresse angeben, um das Ergebnis zu bekommen. Diesen Test würde ich aber auch nicht unbedingt ernst nehmen, bspw. habe ich gerade die Frage dazu, ob ich meinen Teller immer leer esse, verneint; bei meinem Ergebnis wird mir aber gerade das unterstellt…

Damit hat sich dann auch mein erster Eindruck der Autorin bestätigt: Mareike Awe ist nicht nur Medizinerin, sondern in erster Linie auch eine findige Geschäftsfrau.

Das wäre für sich genommen noch gar nichts Negatives. Aber dadurch, dass sie selbst kritisiert, wie Medien, Diät- und Schönheitsindustrie nur am Geld ihrer Kundinnen interessiert wären, kann man ihrem Buch eine gewisse Doppelmoral leider nicht absprechen.

Fazit

Ich kann leider gar nicht sagen, ob ich das Buch empfehlen würde oder nicht.

Ich denke, es kommt sehr stark darauf an, in welcher Situation man sich selbst gerade befindet und was das Ziel einer solchen Lektüre ist. Da ich ein eher wissenschaftliches Interesse an der medizinischen Sichtweise auf Hunger und Ernährung hatte, war es zwar eine nette Lektüre, hatte aber für mich leider keinen nennenswerten Mehrwert.

Die Quintessenz – auf seinen Körper zu hören, Essen ohne Ablenkung zu genießen und sich nichts mehr zu verbieten, ließe sich für mich locker auf eine Postkarte drucken; nur könnte man dafür natürlich keine 18 € verlangen.

Aber das ist meine ganz persönliche Erfahrung mit dem Buch. Vielleicht zähle ich auch einfach schon von Natur aus zu den intuitiven Esserinnen, denn für mich war nicht viel Neues dabei.

Daher muss ich bei diesem Ratgeber leider wirklich sagen: Geht zum Buchhändler eures Vertrauens, lest das Buch an und entscheidet selbst, ob es euch womöglich bei eurem Ziel unterstützen könnte.

Infos

Autorin: Dr. Mareike Awe

Titel: Wohlfühlgewicht

Verlag und Copyright: Knaur Balance

Seitenzahl: 208

Erscheinungsdatum: 30. Dezember 2019

Preis: 18 € (Paperback)

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3 Gedanken zu „Wohlfühlgewicht von Mareike Awe

  1. Leider ist das Thema Ernährung und vor allem richtige Ernährung eine leidige Sache und ich denke, dass NIEMAND einen Ratgeber dazu schreiben sollte, weil es einfach sehr individuell ist. Auch ich finde, Sport, Tracker, Fitness-Apps und Waagen gehören zu einem guten Lifestyle dazu. Nur weil sich so viele fertig machen, weil sie mehr wiegen, muss das ja nicht auf mich zutreffen. Außerdem kann man auch in vielen anderen Bereichen zunehmen, als im Körperfett.
    Tolle Rezension, ich lese deine Meinungen sehr gerne.

    1. Liebe Gingia,
      vielen Dank, das freut mich!
      Ich habe mir von den Ratgebern eher wissenschaftliche Erkenntnisse erhofft, denn ich lerne gern dazu. Ich mag es nur nicht, wenn ich das Gefühl habe, ein Buch will mich belehren oder es wäre einfach nur zur Gewinnmaximierung veröffentlicht worden, auch wenn dies vielleicht gar nicht vom Autor oder von der Autorin bewusst beabsichtigt war. Gerade das Thema Ernährung ist so individuell, da scheint es nicht möglich zu sein, ein wertfreies, wissenschaftlich fundiertes und gleichzeitig unterhaltsames Sachbuch herauszubringen. Ich habe noch den „Ernährungskompass“ auf meinem SuB liegen, mal sehen, wie mir das gefällt…

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