Der Zauber eines Wintertages von Karen Swan

Ihr wisst, dass es Winterbücher nicht leicht mit mir haben (oder ich mit ihnen?). Daher war ich auch ehrlich überrascht, als sich „Der Zauber eines Wintertages“ als wahres Jahreshighlight entpuppte. Zugegeben, dieses Buch ist auch kein gewöhnlicher Weihnachtsroman. Denn unter der gemütlichen Winteratmosphäre lag noch ein ernstes Thema: PTBS. Die Stimmung ist gleichzeitig bedrückend und schön, weshalb mir die Rezension dieses Buches auch etwas schwerer fiel als sonst.

Klappentext

Vor fünf Jahren hat die Londoner Fotografin Lee alle Brücken hinter sich abgebrochen. Inzwischen haben sie und ihr kleiner Sohn Jasper in Amsterdam ein neues Zuhause und viele gute Freunde gefunden. Kurz vor Weihnachten begegnet Lee einem Mann, der ihr Herz höherschlagen lässt: dem attraktiven Kinderbuchautor Sam, der bei einem Fotoshooting im Krankenhaus den Nikolaus spielt. Als der erste Schnee fällt und Amsterdams Grachten zufrieren, kommen Lee und Sam sich näher. Doch ein Geheimnis aus Lees Vergangenheit droht ihr Glück zu zerstören. Ob das Fest der Liebe eine zweite Chance für sie bereithält?

Meine Meinung

Ich habe schon mehrere Romane der Autorin gelesen und darunter befanden sich auch einige richtig gute Geschichten. I.d.R. war das für mich immer dann der Fall, wenn sie ihre Protagonist*innen mit heftigen Hintergründen, aber gleichzeitig starken Charakteren ausstattete. Als Leser*in muss man dann oft erstmal einen Zugang zu den komplexen Figuren finden, aber das macht sie nur umso interessanter. Gleichzeitig bringt sie damit eine Tiefe in ihre Romane, die sich von anderen „Wohlfühlbüchern“ deutlich unterscheiden. Das sollte man wissen, bevor man zu einem Karen Swan greift.

Doch auch bei ihr habe ich noch nie eine so verflochtene Handlung mit so einer ernsthaften Thematik gelesen wie in diesem Buch. Lasst euch also bitte nicht vom glitzernden Cover oder dem schönen Titel in die Irre führen, denn wir springen gleich auf den ersten Seiten ins Jahr 2014 an die Türkisch-syrische Grenze…

Die Hintergrundgeschichte der Protagonistin als Kriegsfotografin hat mich wirklich überrascht. Gleichzeitig finde ich sie mega interessant. Neben den Flashbacks, die uns Stück für Stück ihre Vergangenheit offenbaren, spielt die gegenwärtige Handlung zum einen vor der traumhaften Kulisse Amsterdams und zum anderen erneut in Syrien. Beide Nah-Ost-Stränge gehen direkt unter die Haut, denn Karen Swan schildert uns glaubhaft und schonungslos, wie es in (ehemaligen) Kriegsgebieten zugehen muss.

Aber auch in Lees Therapiestunden werden wir mit den Erlebnissen aus ihrer Zeit in dem Krisengebiet konfrontiert. Dabei wirkt ihre Posttraumatische Belastungsstörung vollkommen authentisch und ich beginne zu verstehen, warum sie sich damit auseinandersetzen muss, welch hoher Tribut ihr ehemaliger Job gefordert hat und warum sie die Vergangenheit trotzdem am liebsten auf sich beruhen lassen würde, obwohl sie dann nie mit ihr abschließen könnte. So erhalten wir nach und nach ein sehr stimmiges Bild ihres Charakters und es wird nachvollziehbar, warum sie nach außen hin eine eiskalte Maske trägt, während sie für ihren Sohn eine hingebungsvolle Mutter zu sein scheint. Abgesehen von der Liebe zu Jasper, lässt sie keine weiteren tiefen Beziehungen zu. Sexuelle Bedürfnisse befriedigt sie ganz pragmatisch und ohne Gefühle über One-Night-Stands. Bis zwischen ihr und Sam die Funken fliegen, er sie abblitzen lässt und ihr gerade heraus erklärt, dass er dafür nicht zu haben ist, sondern mehr will. Und obwohl ihn das für die meisten von uns als 1A Heiratskandidaten ausweisen würde, macht Lee dicht. Doch als er sich auch noch perfekt im Umgang mit Jasper erweist, beginnen Lees Mauern Risse zu bekommen.

Sam scheint also DER Traumprinz zu sein, aber obwohl er immer so unkompliziert und geduldig wirkt, wirft auch seine Vergangenheit dunkle Schatten auf sein Leben. Trotzdem bin ich überrascht, als er plötzlich die Fassung verliert und damit fast seine Beziehung zu Lee und Jasper zerstört. Doch auf den zweiten Blick macht es ihn einfach nur menschlich. Außerdem gefällt mir, wie die Autorin SAM dazu nutzt, niederländische Traditionen in die Handlung einzuweben.

Unerwartet gut fand ich übrigens auch, dass die Liebesgeschichte gleichwertig neben dem gemeinsamen Genesungsprozess der Protagonist*innen stand.

Kinder authentisch in Liebesgeschichten einzubauen, ist meiner Ansicht nach oft schwierig, weil sie zu oft als rein dramaturgisches Element missbraucht werden. Aber Jaspers Figur ist wirklich ausgesprochen gut gelungen.

Die heutigen Szenen, die in Syrien spielen, haben mit dem Kriegsjournalisten Harry – Lees ehemals besten Freund und Kollegen zu tun. Er ist mittlerer Weile verheiratet, seine Frau erwartet ein Kind – als er plötzlich verschwindet… Auch durch diese Ereignisse holt Lee die Vergangenheit ein. Warum sie seit Jahren keinen Kontakt mehr haben, wird jedoch erst zum Schluss aufgelöst. Trotzdem ist es keine Dreiecksgeschichte, was mich persönlich sehr beruhigt hat.

Insgesamt erhält jede Figur genau den Raum, den es braucht, um ihre jeweilige Geschichte zu erzählen und das tut Karen Swan so fesselnd, dass es mir schwerfiel, das Buch aus der Hand zu legen. Gleichzeitig lässt sie eine Winterstimmung aufkommen, dass ich die schneebedeckten Häuser und geschmückten Gassen direkt vor mir sehen und die Kufen auf den zugefrorenen Grachten hören kann.

Fazit

Für mich war „Der Zauber eines Wintertages“ ein unerwartetes Jahreshighlight und ich kann diesen Roman nur allen ans Herz legen, die ein romantisches Winterbuch mit Tiefgang suchen.

Bibliografie

Titel: Der Zauber eines Wintertages
Autorin: Karen Swan
Übersetzung: Gertrud Wittich
Verlag und Copyright: Goldmann
Seitenzahl: 560
Erscheinungsdatum: 20. September 2021
Preis: 11 € (Klappenbroschur)

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