Auf dieses Buch hat mich die liebe Kathi von @reading.wildbee aufmerksam gemacht. Und bei einem Setting mit Karl Lagerfeld kann ich nicht widerstehen (Das kommt noch aus meiner Fashion Victim Zeit…). Doch der große Modeschöpfer ist eigentlich nur Aufhänger für die Geschichte. Denn was mit der Verwirklichung des eigenen Traums der Protagonistin beginnt, endet in der Rettung des simplen Traums vieler Krebspatientinnen: Haare…
Klappentext
Als Amanda mit ihrem Skizzenbuch im Rockbund in Paris ankommt, will sie nur eins: Karl Lagerfeld treffen und für ihn die Frisuren zeichnen. Aber so einfach wie Amanda, die aus dem kleinen Eifeler Friseurladen ihrer Mutter geflüchtet ist, sich das vorstellt, scheint es nicht zu werden. Der Weg ist steinig und lang – und doch avanciert sie als talentierte Friseurin zum Liebling der High Society der 1970er-Jahre, als sie Françoise Hardy den schrägen Pony verpasst und damit den Look einer ganzen Generation prägt. Auf der Höhe des Erfolgs aber erkrankt ihre Freundin an Brustkrebs.
Amanda begreift, was der Verlust der Haare unter der Chemotherapie mit Frauen macht. Damit trifft sie eine Entscheidung, von der sie später sagen wird: „Ich hätte etwas in meinem Leben versäumt, hätte ich diese Arbeit nicht getan.“
Meine Meinung
Der Roman beginnt in Paris und endet in Berlin. Und interessanterweise wandelt sich mit dem Wechsel des Schauplatzes auch das Buch.
Ich habe mich nämlich etwas schwergetan, in die Geschichte reinzukommen, was vermutlich mit den blassen Figuren zusammenhängt. Dabei hätte insbesondere Amandas Hintergrundgeschichte mit einem gewalttätigen Vater, der seine Familie verlässt und einer Mutter, die alles dafür tut, Amandas großen Traum im Keim zu ersticken, das Potenzial für einen wirklich detailreich gezeichneten Charakter gehabt. Gleichzeitig gibt es grandiose Sätze wie bspw. diesen hier:
„Meine Mutter ist unter ihm stumm geworden. Sie hat das Neinsagen verlernt. Kann sein, er hat es aus ihr rausgeprügelt.“
Marie Sand: Und morgen wieder schön, S. 71
Von der Tänzerin Catherine, die davon träumt, im Moulin Rouge aufzutreten, erfährt man noch viel weniger. Ihre Figur hätte so viel mehr Tiefe haben können. Als sich Amanda und Catherine kennenlernen, lebt sie noch in den Katakomben von Paris und schlägt sich eben so durch. Doch dann gelingt ihr der Durchbruch als Schauspielerin, bis ihre Krebserkrankung sie wieder zu Amanda zurückführt.
Dritter im Bunde ist Ben, der sozusagen neben „Chloé“ wohnt und das Geld seines Vaters durchbringt, der denkt, er studiere Medizin. Mit ihm gehen Amanda und Catherine nach Berlin und auch sein Charakter hätte viel besser ausgearbeitet werden können.
Die Handlung in Paris ist im Wesentlichen nur eine Hinführung zum eigentlichen Plot: Der Arbeit von Amanda an bzw. für Krebspatientinnen. Und kaum ist man da angekommen, wandelt sich das Buch: Plötzlich gewinnt die Geschichte an Tiefgang, was sich auch in den neu hinzukommenden Charakteren widerspiegelt. Amandas „besondere Kundinnen“ sind von Anfang an gut getroffen und ihre Geschichten bewegen mich sehr. Selbst der Schreibstil wird fesselnder und so lese ich das Buch in einem Zug bis zum Ende durch.
Sprachlich lässt sich das Buch die gesamte Zeit über gut lesen und hat einige nachdenklich stimmende Passagen auf Lager.
„Wenn Frauen an Krebs erkranken, dann leiden die Männer. (…) Und manchmal zerstört der Krebs nicht nur den Körper, nein, auch das Warme, Geheimnisvolle einer Liebe zwischen zwei Menschen. (…) Dann sitzen die Ehemänner am Bett, halten Händchen, aber um den Mund erkenne ich Abscheu. (…) Die Männer sitzen da, und ihnen kommt die Liebe abhanden.
Marie Sand: Und morgen wieder schön, S. 233
Anscheinend fürchten wir uns selbst im Angesicht des Todes noch davor, von Männern nicht mehr als Frau wahrgenommen zu werden.
Männer setzen sich eine rattenscharfe Brille auf die Nase und finden sich mit Glatze sexy, dachte Amanda. Frauen leiden.
Marie Sand: Und morgen wieder schön, S. 10
Etwas verwirrt hat mich allerdings, dass die Autorin zu Beginn von einem fiktiven Werk spricht, im Nachwort aber erwähnt, dass ihre Protagonistin sehr wohl von einer realen Person inspiriert wurde, die genau so einen Friseursalon wie Amanda in Berlin betrieben hat. Das ist natürlich für die Geschichte an sich irrelevant, ich weiß aber immer gern, ob ich es mit einem rein fiktionalen Roman oder doch eher mit einer Romanografie zu tun habe.
Fazit
Der Frage nachzuspüren, ob Frau ohne Haare noch sie selbst ist bzw. was dieser Verlust mit der eigenen Person macht, fand ich sehr interessant und lässt mich nachdenklich zurück: Warum ist das Äußere so wichtig? Hat die Frisur etwas mit Würde zu tun? Wie wäre das bei mir?
Gebt dem Buch etwas Zeit, dann ist es eine durchaus gewinnbringende Lektüre.
Kostenloses Rezensionsexemplar
Ich habe dieses Buch als kostenloses Rezensionsexemplar vom Droemer-Verlag zur Verfügung gestellt bekommen. Dies beeinflusst in keiner Weise meine Meinung.
Bibliografie
Titel: Und morgen wieder schön
Autorin: Marie Sand
Verlag & Copyright: Droemer TB
Seitenzahl: 288
Erscheinungstermin: 02. September 2024
Preis: 16,99 € (Taschenbuch)